„Alice im Wunderland“ von Mirko Mahr, Tanz: Patricia Klages, Ensemble

Tanz im Wunderland der Fantasien

Mirko Mahrs Ballett nach Lewis Carrolls Kinderbuchklassiker

An der Musikalischen Komödie der Oper Leipzig begeistert das Ballett „Alice im Wunderland“ alle Altersgruppen.

Leipzig, 11/05/2018

An Zwischenapplaus wird nicht gespart, und am Ende wird gejubelt, vor Begeisterung gepfiffen und gerufen und im Takt geklatscht in einer Repertoirevorstellung, am Nachmittag des Himmelfahrtstages, in Sachsen ein Feiertag. Die große Zustimmung der kleinen und großen Gäste im ausverkauften Theater gilt dem Ballett „Alice im Wunderland“ von Mirko Mahr, dem Ballettdirektor an der Musikalischen Komödie in Leipzig. Denn es ist ihm gelungen mit Pfiff und Witz, mit Tempo, Spaß und wilden Ideen diesen Tanz der Fantasien zu choreografieren und zu inszenieren, so dass hier wirklich jede Altersgruppe auf ihre Kosten kommt.

Wer möchte nicht mittanzen auf dieser Reise, die für Alice an ihrem zehnten Geburtstag beginnt, in großbürgerlichem Ambiente. Hier geht es für die Eltern, Onkels und Tanten und all diese aufgedonnerten Verwandten, die man am liebsten nur von hinten sieht, um alles – nur nicht um Alice. Das Kind stört. Vivien Kuhndt vom Akrobatik Club Taucha e.V. ist diese kleine Alice. Später wird sie mit ihren Clubkameradinnen als Harlekins-Fische, vor allem als kleine Stacheligel, rasante, akrobatische Saltos hinlegen, dass einem der Atem stockt.

Aber jetzt hat Alice die Nase voll. Und schon ist der Retter da. Tom Bergmann als Kaninchen, mit gewitzten Sprüngen, ein Scherzbold auf Sprungfedern, immer in Eile und selten nur auf einer Hochzeit tanzend, nimmt sie mit ins Wunderland. Ab durch die Torte auf dem Geburtstagstisch. Und schon steht die Tänzerin Patricia Klages, jetzt die heranwachsende Alice, vor vielen Türen und muss endlich ihre wahre Größe finden um durch die richtige Tür dahin zu gelangen wo die Wunderwelt auf sie wartet.

Und weil es sich ja um die Reise dieses jungen Mädchens an die Schwelle der Welt des Erwachsenseins handelt, gehören auch Tränen, Ängste und beunruhigende Träume dazu. Aber ebenso Späße und das schwebende Glück im poetischen Tanz mit Insekten und Schmetterlingen, in die sich eine beängstigende Raupe zum Glück verwandelt. Da ist es besonders Alla Bykanova, die als Schmetterling mit ihrem Spitzenadagio bezaubert. Patricia Klages als Alice hingegen tanzt auf halber Spitze. Erst zum Finale, wenn sie durch die Fantasien des Wunderlandes gegangen ist und nach Hause zurückkommt und bei allen Verwandten die Horizonte weitet, dann ist ihr der Tanz auf der Spitze möglich. Und das sind große Tanzmomente für sie und das Publikum.

An solchen Momenten mangelt es nicht, sogar in ganz unterschiedlichen Stilen. Wenn sie beispielsweise einfach nicht zusammenkommen können, die Zwillinge Stefanie Müller und Hanna Sech, sie sind eben viel zu dick. Stephen Budd als steppender Hutmacher hat zudem den Charme eines Herzensbrechers; Alla Bykanova als teuflische Köchin möchte man nicht zu nahe kommen. Und schon gar nicht jener von Nicola Miritello so herrlich überdreht und exaltiert getanzten Herzkönigin, androgyn auf der Spitze, unberechenbar und nie zufrieden, vor der es die sympathischen Gärtner Claudio Valentim, Mattia Cambiaghi und Özgür Tuncay zu beschützen gilt. Da kennt Alice nichts, sie stellt sich der Amazone entgegen und besiegt sie. Es rollen keine Köpfe. Tom Bergmann, als Kaninchen und Reiseführer durch die Täler und Höhen des Wunderlandes gegangen, hat seine Sache gut gemacht. Nicht nur Patricia Klages als Alice dürfte ihn ins Herz geschlossen haben.

Und so, wie das Auge bei der fantasiereichen, sich rasch wandelnden Ausstattung mit üppiger Kostümpracht von Alexander J. Mudlagk voll auf seine Kosten kommt, so auch das Ohr. Wenn nämlich das Orchester der Musikalischen Komödie mit tänzerischem Temperament und sinnlicher Melodik unter der Leitung von Tobias Engeli in die Vollen geht. Musikalisch geht es von Georges Bizet und Benjamin Britten über Vincenzo Bellini und Strawinsky oder Puccini bis hin zu Jaques Offenbach und Leroy Anderson. Und das sind längst nicht alle Komponisten, die hier, auch wie in einem musikalischen Wunderland des ungeahnten Aufeinandertreffens, in jeder der vielen Szenen immer wieder eine neue Aufforderung zum Tanz oder auch zum Gesang für den Chor der Musikalischen Komödie sind.

So wie die verschiedenen Stile in der Musik zusammenkommen, so auch die verschiedenen Tänze in Mirko Mahrs Choreografien. Im besten Sinne eine große Revue, Charleston und Cancan, Solovariationen neoklassischer Art, Walzerschwünge und übermütiger Galopp. Da lässt die Dynamik nicht nach, da kann der Tanz dermaßen witzig sein, um dann wieder in der schier maßlosen Übertreibung bei allem Spaß das Denken zu provozieren. Spaß und Denken dürften nicht zu Ende sein, wenn nach gut zwei Stunden das Ballett eines findet. Besonders für Kinder geeignet hat die Dramaturgin Nele Winter ein Programmheft erstellt, das auch ganz nebenbei sehr verständlich in die Welt des Theaters und des Tanzes einführt und einen Einblick gewährt, wie denn so eine Choreografie entsteht. Und das könnte ja darauf Lust machen mal wieder ins Ballett zu gehen.

 

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