„Schlaflose Nacht in Ougadougou“ von Serge Aimé Coulibaly
„Schlaflose Nacht in Ougadougou“ von Serge Aimé Coulibaly

Drastische Wahrheiten

Serge Aimé Coulibaly aus Burkina Faso eröffnet mit „Schlaflose Nacht in Ouagadougou“ das Nordwind-Festival in der Kampnagelfabrik Hamburg

Das Stück wurde bereits 2014 kreiert, hat jedoch nichts von seiner Gültigkeit und Aktualität verloren.

Hamburg, 12/12/2017

Schon beim diesjährigen Sommerfestival hatte Serge Aimé Coulibaly das Publikum begeistert, jetzt kehrte er mit einem weiteren Stück nach Hamburg zurück, um das Nordwind-Festival in der Kampnagel-Fabrik zu eröffnen. „Schlaflose Nacht in Ouagadougou“ schildert die Situation in der Hauptstadt des westafrikanischen Burkina Faso, wo es 2014 einen Aufstand gegen den diktatorisch herrschenden Präsidenten Blaise Compaoré gegeben hat. Das Stück wurde bereits 2014 kreiert, hat jedoch nichts von seiner Gültigkeit und Aktualität verloren.

Zu Beginn ist die Bühne offen, der Hintergrund wird von einer Sperrholzwand abgegrenzt, am rechten Rand sitzt eine Person im Trenchcoat mit Sonnenbrille, das Gesicht bleibt im Schatten einer breiten Hutkrempe. Ein Sprechgesang setzt ein. Ein Mann erscheint, sein Mund ist durch ein Taschentuch geknebelt, er kann nicht sprechen, nur Laute von sich geben. Das aber so eindringlich, dass man sofort versteht: Hier ist jemand in Not. Hier klagt jemand an. Hier ist jemand verzweifelt und prangert an. Eine Frau kommt im Hintergrund dazu und setzt sich. Zwei andere Männer folgen. Es entwickelt sich ein Tanz von seltener Eindringlichkeit – mit zuckenden, abgehackten Bewegungen, Laufen, Springen. Es sind schnelle Schrittfolgen, die etwas Gehetztes haben, etwas Aggressives, aber auch Verzweifeltes.

Ein weiterer Mann kommt hinzu – es ist Smockey Bambara, der für Text und Musik verantwortlich zeichnet. Er spricht über sein Headset schnelle Sätze auf Englisch (die Übersetzung wird im Hintergrund eingeblendet), es sind sarkastische, drastische Wahrheiten, die er dem Publikum entgegenschleudert. Sätze wie „Auf zum Angriff, lasst uns handeln“, „Der Tanz eines Negers im Land der ehrenhaften Leute“. Es wäre schön gewesen, diese Texte im Programmzettel abgedruckt vorzufinden, um das Ganze noch nachwirken zu lassen.

Während er spricht, bewegen sich die anderen weiter, mal alleine, mal zusammen, mal synchron, mal jeder anders. Ein Mann erscheint plötzlich mit wirrem Blumenschmuck am ganzen Körper, der jedoch bald zerstört wird, weil der Mann sich auf dem Boden wälzt und von den anderen attackiert wird. Zwischendurch geht Smockey zu einem links auf einem Gestell stehenden MacBook und regelt die Musik, die zwischen harmonischen, fast folkloristischen Sequenzen und aggressiven Sounds hin- und herwechselt.

Es entsteht das Szenario einer schlaflosen Nacht, in der sich Menschen begegnen, voreinander weglaufen, einander angreifen, sich gegenseitig stützen und wegstoßen. Angst ist zu spüren, Gewalt liegt in der Luft, Aggression, Wut, Zerstörung, aber auch Ruhe und Zärtlichkeit. Es ist das Tableau eines Afrika, das von der eigenen Hilflosigkeit, aber auch vom Moloch der Globalisierung aufgefressen zu werden droht. Und das doch die Entschlossenheit, sich zu wehren und aufzubegehren, nicht verliert. Wie Smockey ziemlich am Schluss sagt: „Wir werden den Wahnsinn heilsamer Horizonte haben.“
 

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