„Ferne schweifen“ von Duo Ocean of pink dots.

„Ferne schweifen“ von Duo Ocean of pink dots.

Bewegt improvisierte Klangwelten

Das „Soun d ance“-Festival in Berlin

Vergangenes Wochenende startete im Dock11 zum ersten Mal das „Soun d ance“-Festival, das seinen Fokus auf das Wechselspiel zwischen Live-Musik, Sound und zeitgenössischem Tanz legt.

Berlin, 26/07/2017

Das Berliner Festival „Soun d ance“ findet diesen Sommer erstmals statt und baut die im Improvisation XChange Berlin Festival (2013-2016) verankerte Auseinandersetzung mit Echtzeit-Komposition weiter aus. Bereits 2013 gründete die künstlerische Leitung des Festivals Jenny Haack die gemeinnützige Gesellschaft „b.arts.u – berlin arts united“, die sich einem regen kulturellen und spartenübergreifenden Austausch in Projekten und Veranstaltungen verschrieben hat.

So ist das diesjährige Festival nicht nur eine weiterführende Plattform, um den Austausch direkter Kommunikation zwischen MusikerInnen und TänzerInnen zu fördern, sondern ermöglicht auch Unterstützung in Form einer einwöchigen Intensivprobenphase und den darauffolgenden Aufführungen. Im Zeitraum vom 20.-30. Juli kann man diese Verbindung musikalischer und tänzerischer Komposition als Publikum in insgesamt acht Abendaufführungen live miterleben. An sechs Nachmittagen gibt es zudem im Format des Ateliers die Möglichkeit die KünstlerInnen und MusikerInnen im direkten Austausch zu erleben und selbst zu entscheiden, wie weit man teilnehmen, mitmachen oder mitsprechen möchte. Workshops für professionale TänzerInnen runden das Programm ab.

Den Festivalauftakt machte das in Berlin arbeitende Collective ONE: THIRD: 6 TänzerInnen (Edith Buttingsrud Pedersen, Annukka Hirvonen, Sarah Jegelka, Justyna Kalbarczyk, Stefania Petracca, Roberta Ricci) und der Musiker Hannes Buder mit ihrer Arbeit „Fate of Galaxies“. Galaktische Bezüge beschäftigen das gleichberechtigte Team schon seit ihrer Gründung vor drei Jahren. Auch wenn das als Thema nicht eindeutig erkennbar ist und man sich nicht durchgehend mit klaren Assoziationen zu Planetenanordnungen, der Zusammensetzung des Universums oder knallenden Kollisionen umgibt, so lassen sich doch auf sehr sensible und subtile Weise, Bewegungsqualitäten und Raumanordnungen finden, die sich aus dieser intensiven Beschäftigung mit Relationen und Formen der Kommunikation ableiten lassen. Im Wechselspiel mit mal vibrierenden, mal melodischen Klängen der E-Gitarre trägt einen das Stück in seiner Unabgeschlossenheit fort. Durch die hohe professionelle Auseinandersetzung mit Improvisation wird die Zufälligkeit spürbar, indem man als ZuschauerIn jeden Anhaltspunkt für choreografische Struktur verliert und trotzdem nichts in den Bewegungen ‚unabsichtlich‘ wirkt.

In „On the shape of darkness“ vereinen sich die japanische Tänzerin Yuko Kaseki und der mexikanischen Musiker Emilio Gordoa auf der Bühne. Das Stück spielt sich konstant in einer Art Dämmerung ab. In einem mystischen Zwischenraum von Hell und Dunkel, wo sich schemenhaft Bewegungen und Sound entwickeln und das Hören mitunter zum Sehen wird. Mit verschiedenen Objekten: Boxen, Mikrofonen, Kabelrollen, ausgeschüttetem Sand und allen Einzelteilen eines Vibrafons produziert der Musiker Emilio Gordoa und später auch Yuko Kaseki eine architektonische Landschaft aus Sounds. In metallen schillerndem Silber, das Gesicht von einer Perücke verdeckt zeichnen sich parallel dazu abgehackte, stolpernde Bewegungen von Yoku Kaseki in diesen Raum. Die Körper der zwei Personen auf der Bühne und die Klangobjekte werden mehr und mehr kooperative Elemente eine Soundwelt, in der Körper zur Membranen und Objekte zu bewegten Schatten werden, die im Dämmerlicht Bilder einer skurrilen Welt entblößen.

In „Ferne schweifen“ bringt ein Cello zwei Körper zum Zittern, zittert das Cello unter der Hand des bebenden Körpers. Das Klatschen der schnellen Schritte der Tänzerin Jenny Haack und der Musikerin Hui-Chun Lin auf dem Boden erklingt rhythmisch zu dem Klopfen auf dem Holz des Cellos. Der Bogen streift über die Seite und ein tiefer, beruhigender Klang ertönt. Bis sich das Cello dem Bogen entzieht, immer wieder ausweicht, dabei horizontal über dem Boden schwebt. Die Stimmen der PerformerInnen gesellen sich nach und nach in Geräuschen und Wörtern zum bestehenden Klangraum. Im spielerischen und humorvollen Dialog treten die zwei Körper und das Instrument in einen Austausch, der seine Spuren auf der Bühne hinterlässt. Wo nun eine Leerstelle ist, aber eben noch ein Körper, ein Instrument war, hängt ein Nachhall in der Luft und ruft, um danach wieder gefüllt zu werden: „Just a little“.

Die Improvisationen in Echtzeit wirken wie aufeinander reagierenden Organismen, in denen die Körper von MusikerInnen und TänzerInnen gemeinsam mit den Instrumenten und Klangobjekten zu Resonanzräumen und akustischen Raumvermessern in dem heißen und dunklen Raum des Dock11 werden. Ein Innehalten und wieder Einsetzen in den Bewegungen, ähnlich einer musikalischen Pause, zieht sich durch die Stücke und erzeugt eine kurze Unterbrechung im Atem des Zuschauenden. Ein Augenblick der Ungewissheit. Ein Gefühl, an das man sich bei diesem Festival gewöhnen muss.

 

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