„La fille mal gardée“ von Frederick Ashton. Tanz: Maria Shirinkina, Vladimir Shklyarov.

„La fille mal gardée“ von Frederick Ashton. Tanz: Maria Shirinkina, Vladimir Shklyarov.

Bitte etwas mehr spielerischen Ausdruck

„La fille mal gardée“ von Frederick Ashton erlebt seine Wiederaufnahme am Bayerischen Staatsballett

So leicht dieser Ashton auch wirkt, er ist verdammt schwierig. Die notwendige Präzision und Leichtigkeit in den Füßen muss sich die Kompanie erst noch ertanzen.

München, 26/01/2017

Lise und der junge Bauer Colas lieben sich, verbotenerweise. Denn Lises Mutter, seit Langem unbemannt und wenig verständnisvoll für junge Gefühle, hat andere, geldige Pläne mit dem reichen einfältigen Winzersohn Alain. Man errät's: Wenn im Klassiker „Schwanensee“ (1894/95) Prinz Siegfried noch tragisch in den Fluten ertrinken muss, dann kriegt in dieser mehr als hundert Jahre älteren bürgerlichen Ballettkomödie „La fille mal gardée“ der mittellose Colas am Ende doch seine ‚schlecht behütete’ Lise. Das ist das Verdienst von Jean Dauberval, der 1789 mit seiner Ur-„Fille“, ganz im Sinne der französischen Revolution, erstmals im Ballett alte Gesellschaftsordnungen wegchoreografierte. Frederick Ashton (1904-1988) studierte seine Version von 1960 – sie gilt als eines seiner Meisterwerke – 1971 noch selbst in München ein. 2011/12 und 2012/13 gab es zwar jeweils fünf Vorstellungen im Prinzregententheater, die Wiederaufnahme jetzt im Nationaltheater, nach zwanzig Jahren, kann man dennoch fast als Premiere bezeichnen (am Pult Myron Romanul).

Eine Premiere war es auf jeden Fall für das von Leiter Igor Zelensky erneuerte Staatsballett. Gleich hier für die gesamte Besetzung angemerkt, wobei das Damencorps besser abschneidet: die Präzision, die Leichtigkeit in den Füßen muss erst noch ertanzt werden. Man sieht es diesem Ashton nicht an, aber er ist verdammt schwierig: Während die Beine allegromäßig unterwegs sind, müssen die Schultern, soll der ganze Torso in allen möglichen, auch in Körper-konträren Wendungen die tänzerische Qualität noch überhöhen. Wer diesen Stil nicht gewohnt ist, tut sich schwer. Höchst wahrscheinlich war das Münchner Ensemble in den 1970er- und 80er-Jahren nicht besser. Aber der Zuschauer, zu der Zeit noch nicht verwöhnt mit Briotechnik, Stilvielfalt und postmoderner choreografischer Fantasie, war weit weniger anspruchsvoll – in jeder Beziehung. So unverstaubt, ja so frisch Osbert Lancasters Kostüme und seine gemalte ländliche Idylle noch heute wirken, die ausgedehnten, vom Volkstanz inspirierten Szenen - sicher vor mehr als fünfzig Jahren niedlich und inhaltlich schlüssig - ziehen sich fürs heutige Auge arg in die Länge: so viele Halstüchlein und Bänder, die sich die beiden jungen Liebenden gegenseitig flirtig in komplizierten Mustern umlegen; so viel Volkstanz-Hüpfen an bunten Maibaum-Bändern, die dann auch noch von der Gruppe zu luftigen dekorativen Gittern verwandelt werden. Großes Lob, dass sich niemand verhedderte.

Was dieses Ballett heute noch gültig macht, ist vor allem – die Komödie, ist Ashtons hinreißendes Ballett-Theater. Witwe Simone, gepolt darauf ihr Töchterchen zu bewachen, fängt die Aufmüpfige bei Fluchtversuchen ab, verdonnert sie zur Hilfe beim Spinnen, verwickelt sie in ein Tanzduett, sperrt sie schließlich ein, als Winzer Thomas – sehr schön von Staatsballett-Veteran Peter Jolesch – mit Sprössling Alain und Notar auftaucht, zwecks Heiratsvertrag. Alles herrlich komisch – wenn es denn herrlich gespielt wird. Vittorio Alberton, schon im Prinzregententheater die Witwe Simone, macht seine Sache ordentlich. Aber es fehlt (noch) die humoristische Finesse im Spiel und der tänzerischen Geste. Gianmarco Romano, seit 2014 im Ensemble, liefert mit viel Anstrengung die kniffligen schrägen Bewegungen des Einfaltspinsels Alain. Jetzt muss seine Figur noch komisch, vor allem auch liebenswert werden. Vladimir Shklyarov, wie immer sprunggewaltig, und seine Frau Maria Shirinkina geben ein sehr hübsches, allerdings ein recht braves Liebespaar ab. Ihre Darstellung könnte, auch ruhig gegen Ashtons Vorgabe der ‚Natürlichkeit’, etwas mehr theatralischen Nachdruck vertragen, ihr Austricksen von Mutter Simone ein bisschen freche Pikanterie. Man erinnert Kammertänzerin Judith Turos, die hier ja auch einstudiert hat, als wunderbar spitzbübische Lise. Vielleicht liegt es an Ferdinand Hérolds Musik (bearbeitet von John Lanchberry), dass es aus dem Graben mal fein sensibel, mal lärmig blechern klang.
 

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