„Jáchymov. Die Macht aus der Tiefe“ von Tanzwerke Vanek - Preuss

„Jáchymov. Die Macht aus der Tiefe“  von Tanzwerke Vanek - Preuss

Hervorragend Krosses

Pick bloggt über „Jáchymov. Die Macht aus der Tiefe“ von Tanzwerke Vanek – Preuss

Aus der Brotfabrik Bonn nach eigenem Rezept: Was den Abend so lebhaft und farbig werden lässt, sind vor allem die drei hervorragenden TänzerInnen, ist unser Autor überzeugt.

Bonn, 23/01/2017

Es ist schon beachtenswert, wenn ein Choreograf sich ein Thema aussucht, das in etwa eine Freundlichkeit ausstrahlt wie Tschernobyl. Mir war der Ort „Jachymov“ in der Tschechischen Republik kein Begriff und auch Sankt Joachimsthal, wie es auf Deutsch hieß, hätte da nicht geholfen. Das Programmzettelchen verrät auch wenig vom Schrecken der Atomwaffen zur Zeit der UdSSR, die dort die Vergangenheit der Gegend wenig attraktiv machte. Aber sowieso leiten mich solche „Gebrauchsanweisungen“ eher dazu an, erst gar nicht hinzugehen, denn die Versprechungen philologisch verbrämt entsprechen fast nie dem, was sich auf der Bühne abspielt.

Die Vorstellung beginnt mit der Begrüßung dreier TänzerInnen am Einlass, von Melanie Riester kostümiert wie Zimmerpersonal im Hotel Sacher. Später sitzen sie am Flügel mit anheimelnder Musik von Franz Liszt, gespielt von Guido Preuß. Plötzlich sitzen wir im kompletten Dunkel – ziemlich lange – und sehen dann, wie vier Akteure am Boden mit glänzend-schuppiger Fischhaut schwimmen und tauchen, soweit es der Bühnenboden, der ja kein Wasser ist, zulässt. Es ist eigentlich nichts Bedeutendes, was den Choreografen Karel Vanek dazu veranlasst, das Arbeitslicht anzuschalten und eine Diskussion mit dem Pianisten/Dramaturgen/Tänzer Guido Preuß zu beginnen, in welche Richtung die Szene weitergehen sollte.

Im Laufe dieses Textes kommt die Rede auf Marie Curie, die Nobelpreisträgerin, ein Kind des Ortes Jachymov. Auch ihre Bedeutung für die Wissenschaft hat, was die Stadt betrifft, nicht wirklich Gutes gebracht. Das alles ist eher weniger aufregend als die „Wasserkünste“. Aber die Dialoge erklären dies und das und lassen dann und wann auch schmunzeln. Im Laufe des Abends werden sie sogar noch unerwartet richtig komisch. In meiner Beschreibung werde ich dem sicher nicht ganz gerecht, war es doch hauptsächlich Situationskomik. Ich werde jetzt auch nicht versuchen, das oft Absurde aus den einzelnen Szenen nachzuerzählen, dafür ist es zu collagenartig und ohne einen zweiten Besuch würde ich der Vielfalt wohl auch nicht gerecht werden, soviel bringen die Interpreten da auf die Bühne.

Die beiden Erfinder des „Absurdicals“ Vanek und Preuß habe ich schon genannt, aber was den Abend so lebhaft und farbig werden lässt, sind vor allem die drei hervorragenden TänzerInnen. Ich nenne mit Vergnügen zuerst die Kanadierin Michelle Cheung, die ein Solo von solch übertriebener Farbigkeit hinlegt, wie man es von einer so sanftmütig aussehenden Tänzerin mit asiatischem Hintergrund nie und nimmer erwartet hätte. Ich dachte sofort an Kabuki oder Nô-Theater in Japan. Prädikat wertvoll! Eine ebenfalls scheinbar sanfte, französisch sprechende Tänzerin mit brasilianischen Wurzeln, Lorhann da Cunha, wird auf einem Würfel, der leuchtet und normalerweise als Sitz oder Trommel dient, kopfstehend einen ganzen Dialog gegen niemanden durchstehen und die Veranstalter wären dumm, hätten sie nicht ihre Fähigkeit genutzt, diesen Abend mit den schmeichelnd, hinreißend schönen Tönen ihrer Violine fast unerreichbar zu machen.

Ein großer Tänzer, wenn auch nicht von ganz so hohem Wuchs, ist Tobias Weikamp, der mir schon in der Choreografie von und mit Erik Trottier und Karel Vanek „Endless Refill“ in Mannheim aufgefallen war. Er passte ebenfalls gut zur Inszenierung. Er kann seine Füße so ausdrucksvoll bewegen und ist ein Energiebündel, dem man gerne zuschaut. Karel lässt ihn gegen Ende dieses lose zusammenhängenden Stücks einmal mehr zeigen, wo der Hammer hängt und wenn der Abend nicht auch mal trotz aller Unterhaltungskraft zu einem Ende kommen müsste, Tobi hätte noch eine halbe Stunde weitergemacht, auf den Knien, in der Luft und, wenn es sein muss, auch dazwischen. Jedenfalls kommt es so rüber.

Es gibt eine sehr sparsame Dekoration, die vor allem aus eindrucksvollem Lichtdekor von Markus Becker besteht und das Produktionsteam, das nun mit dem neuen Namen Vanek Preuß agiert, hat einmal mehr gezeigt, was sie intellektuell so drauf haben: sich selbst und ihre Arbeit öffentlich immer wieder zu hinterfragen und was noch wichtiger ist, sich nicht allzu ernst zu nehmen. Die Produktion geht am 30.1. nach Prag, dann wieder in die Brotfabrik/Bonn am 2., 3., 4,.Februar, dann nach Mannheim am 10.,11. und 17., 18. ins Theater Felina Areal und ist in Köln am 10., 11. März in der Tanzfaktur zu erleben.

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