„Gala mit Stars des Bayerischen Staatsballetts“. Tanz: Prisca Zeisel, Erik Murzargaliyev.

„Gala mit Stars des Bayerischen Staatsballetts“. Tanz: Prisca Zeisel, Erik Murzargaliyev.

Gala in München

Igor Zelensky präsentiert sein neues Ensemble im Prinzregententheater

Geschickt von Zelensky, die Tänzer ihre Nummern selbst wählen zu lassen. Da sieht man gleich, wer sich in welchem Fach zuhause fühlt.

München, 15/01/2017

Eine hauseigene Gala im Münchner Prinzregententheater – besser hätte Staatsballettchef Igor Zelensky nicht für sein erneuertes Ensemble werben können. Da sah man an einem Abend die neuen Solisten, nebst einigen vom Vorgänger Ivan Liška übernommenen, auf einen Streich – von der sichtfreundlich steilen „Prinze“-Tribüne aus wie unterm Brennglas.

Geschickt auch von Zelensky, die Tänzer ihre Nummern selbst wählen zu lassen. Da sieht man gleich, wer sich in welchem Fach zuhause fühlt. Zunächst zu den Demi-Solisten*innen: In Vasily Vainonens „Nussknacker“ erlebt man Tatiana Tiliguzova, gepartnert von dem exzellenten 19-jährigen Dmitrii Vyskubenko (noch Gruppe, aber eine große Hoffnung!) in ihrem Forte: Bodenhaftung, klare klassische Körperlinie, weit geführte Ports de bras. In Frederick Ashtons „Frühlingsstimmen-Walzer“ beweist sich Mai Kono, zusammen mit dem ersten Solisten Javier Amo, als der Typ schmetterlingsleichte Tänzerin – Technik null Problem. In Vainonens „Flamme von Paris“ erkennt man in Elizaveta Kruteleva die anmutig-quirlige Pirouetten-sichere Soubrette. Partner Adam Zvonař konnte hier, wie nie zuvor unter Liška, seine federnde Sprungkraft zeigen. Bravo! Übrigens wäre das aus der Sowjet-Ära stammende Revolutionsballett „Flamme von Paris“ in Alexei Ratmanskys aufgefrischter Version von 2008 eine Alternative zu Grigorowitschs „Spartacus“ gewesen.

Schließlich eine Demi-Solistin, die sich nicht auf ein Fach festlegen lässt: die Österreicherin Prisca Zeisel. Sie tanzt den „Weißen Schwan“ aus einem inneren Empfinden, schlicht, fein, ohne ihn zu zelebrieren. Danach ist sie die „Spartacus"-Aegina mit einer umwerfenden, im Ballett eher seltenen erotischen Ausstrahlung. Partner ist jeweils Erik Murzagaliyev, ehemaliges Staatsballett-Mitglied, den man sich vor allem für die Neoklassik und Zeitgenössisches zurückwünscht, behutsam geführt von Zelensky. Zuletzt hatte er als Einspringer recht viele Aufgaben sehr schnell zu übernehmen.

Nun zu den (ersten) Solisten: Mit dem interessanten Gast vom Moskauer Stanislawsky-Ballett Alexander Omelchenko (vielleicht bald Staatsballett-Mitglied) gestaltet Ksenia Ryzhkova die „Raymonda“ von Ray Barra in Schritt und Geste technisch makellos, aber irgendwie distanziert, in sich zurückgezogen. So kennt man sie. Als „Julia“ in John Crankos Balkon-Szene zeigt sie dann, ganz überraschend, Gefühle. Da bleibt man gespannt. Auf den „Don Quijote-Pas-de-deux mit Osiel Gouneo hatten die Fans ja schon fiebrig gewartet. Wie ein Matador schreitet der Kubaner die Bühne ab, mit einer verdeckt verschmitzten Allüre, als wolle er sagen: Na wartet, gleich werdet Ihr was sehen. Und ob! Als pfeilgerades oder sogar drehendes Fluggeschoss saust er hoch über die Bühne. In seine Multi-Pirouetten baut er vorher nie gesehene Kompliziert-Variationen ein. Ist obendrein ein sicherer Partner für die langjährige technisch bombensicher-fesche München-Ballerina Ivy Amista.

Und jetzt zwei Höhepunkte: Vladimir Shklyarov mit seiner Frau Maria Shirinkina in „Le Corsaire“, sie eine feingliedrige präzise, sehr edle Tänzerin, er ein atemberaubender Elite-Ballerino. Nicht nur, weil seine panthergleichen Sprünge am höchsten Punkt eine Zehntelsekunde in der Luft anhalten. Es ist seine Eleganz, seine Bewusstheit in jeder noch so kleinen Bewegung, die den Künstler verraten. Den phonstärksten Applaus des Abends bekommt das Paar für einen Tango-Pas-de-deux von dem St. Petersburger Yuri Smelko - was den schon sehr geschulten Blick des Publikums fürs Zeitgenössische verrät. Und so, wie sich Shklyarov und Shirinkina hineinlegen in diese extrem kurvigen Torso-Bewegungen, in die stürzenden Bodenfiguren, errät man, wie hungrig sie nach neuen zeitnahen Choreografien sind. Zelensky sollte dem Rechnung tragen. Ein farbiges Ensemble hat er ja bereits. Das Corps de ballet, hier teilweise auch eingesetzt, kann sich mehr als sehen lassen. Und wenn am Ende der solistischen „fouettés“-Kür mal ein, zwei Drehungen fehlten, dann ist das dem aktuellen enormen Arbeitsdruck geschuldet. Am 24.1. ist ja schon die Wiederaufnahme von Ashtons „La fille mal gardée“. Wandeln wir doch einen bekannten Werbespruch ab: „Staatsballett lohnt sich.“

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern