Pina macht Ferien

Das Tanztheater Wuppertal gastiert mit „Masurca Fogo“ bei den Ludwigsburger Festspielen

Stuttgart, 11/09/2003

Seit fast zwanzig Jahren war sie nicht mehr in der Stuttgarter Gegend, entsprechend groß war der Andrang beim „exklusiven Sondergastspiel“ im Ludwigsburger Forum. Pina Bausch und ihr Wuppertaler Tanztheater sind durch ihre Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut zwar überall auf der Welt zu Gast ist, in deutschen Landen aber machen sie sich eher rar. Auf dem Programm stand ein Urlaubs-Mitbringsel aus Portugal: „Masurca Fogo“, bekannt geworden nicht zuletzt durch Ausschnitte in Pedro Almodovars Film „Sprich mit ihr“, entstand 1998 in Zusammenarbeit mit der Expo in Lissabon und ist ein buntes Ferien-Spektakel, heiter bis zur Harmlosigkeit. Der portugiesische Titel bedeutet übersetzt in etwa „Mazurka Feuer“, außerdem ist Fogo eine der Kapverdischen Inseln, deren Atmosphäre das Stück offensichtlich beeinflusst hat.

Die Wuppertaler haben ihre Ferienfilme gleich mitgebracht: Sie werden übergroß auf die weiße Guckkastenbühne von Peter Pabst projiziert, in die hinten eine Art Lavaberg aus dem Kombinat Plaste und Elaste hereingequollen ist. Wir sehen immer wieder riesenhafte bewegte Bilder von zerknitterten Akkordeonspielern, von einem Latino-Stehblues, von Flamingos, jagenden Stieren oder dem wogenden Meer - manchmal ist es der reinste Werbefilm für Portugal. Zu einer Collage aus Samba, Fado, Jazz, Piazzolla-Tangos und viel schmalziger Popmusik entfaltet sich dazu das Paarungsverhalten geschlechtsreifer Mitteleuropäer am Strand. In kurzen Szenen und Vignetten inszeniert Pina Bausch Rituale der Verführung, des Flirtens, der Koketterie - zwischen Männer und Frauen, zwischen Tänzern und dem Publikum, an Cafétischen oder an Mutterns Herd, in Sommerkleidern, Badeanzügen, Stöckelschuhen. Ihre Tänzer werfen mit Klopapier oder Wassermelonen, sie veranstalten eine Wasserschlacht samt Rutschbahn und Schaumbad, eine Tänzerin stöhnt überlaut ins Mikro, ein Huhn pickt auf dem Boden herum, ein Walross robbt vorbei. Es sind kleine, amüsante Szenen, über die man ganz wunderbar lachen kann, wenn man auf diese spezielle, recht unkomplizierte Art von Humor steht.

Dazwischen gibt es jede Menge kurze Tanzsolos, die mit den Spielszenen eigentlich nichts zu tun haben: Mal ist es stürmischer Ausdruckstanz, mal rasanter Breakdance, und ganz selten sogar ein ergreifendes Innehalten zu einem traurigen Fado-Gesang. Der Abend ist eine große, fröhliche Collage aus bunten Momentaufnahmen, deren gut gelaunte, fast schulterzuckende Ironie sich durchweg an oberflächlichen gesellschaftlichen Ritualen festmacht, ohne je tiefer in die menschliche Psyche vorzudringen. Wenn Pina Bauschs Spaßgesellschaft sich zum Schluss eine Hütte aus Latten und Sperrholz zusammenbaut, um darin fröhlich Samba zu tanzen, dann haben wir vor lauter Bacardi-Feeling schon gar keine Lust mehr, dabei an die ärmlichen Behausungen der Favelas zu denken. Und bleiben mit der erstaunten Frage zurück, ob sich die Wuppertaler ihren Weltruf als Deutschlands Tanz-Exportartikel Nummer eins wirklich mit solch harmlos-unterhaltsamen Nummernrevuen erworben haben.

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