„Think“ von Fernanda Ortiz

„Think“ von Fernanda Ortiz

Verwischt

Die installative Choreografie „Think“ in der Hamburger Galerie projekt|t|raum

Durchgehend überprüft man bei Fernanda Ortiz' Tanzinstallation die Bewegungsimpulse: Folgen sie den gezeichneten Linien auf dem Boden und der Wand, oder folgt der Stift einem vorausgegangenem Bewegungsvorhaben?

Hamburg, 02/10/2016

Was kann eine Stückbesprechung über einen Abend aussagen, der in fünf Teile aufgespalten ist? Dessen „Ganzheit“, wenn man von einer solchen sprechen kann, man nicht erfahren hat?

Der Abend in der Galerie projekt|t|raum in den Kohlhöfen der Hamburger Neustadt ist ein Versuch, hinein zu zoomen und Töne oder sogar ursprüngliche Pigmente einer Palette herauszugreifen, die einen Einblick geben können in die prozesshaft-kompositorische Untersuchung des Verhältnisses von Körper und Sound, Sehen und Bewegung sowie Hören und Bewegung, denen Fernanda Ortiz zusammen mit Ursina Tossi im projekt|t|raum nachgeht.

Töne des Abends, in dem kleinen Galerieraum, in dem die TänzerInnen direkt vor den Zuschauenden mit Kohlestiften ausgestattet, den Boden und die Wand dahinter be-tanzen und be-malen, vergegenwärtigen ein repetitives Momentum im Sound der Stifte, die über den Boden jagen und der dazu simultan ausgeführten Bewegung. Momente des gleichzeitigen Innehaltens unterbrechen ab und zu den Fluss von Stift und Bewegung. Durchgehend überprüft man die Bewegungsimpulse: Folgen sie den gezeichneten Linien auf dem Boden und der Wand, oder folgt der Stift einem vorausgegangenem Bewegungsvorhaben? Der zuerst weiße Raum füllt sich nach und nach mit den Schattierungen der Kohlestriche, die Körper und Kostüme der TänzerInnen gleichen immer mehr denen von Kohlearbeitern und mit ihnen kommen die Assoziationen zu Industrie, Maschinen und sich wiederholenden identen Arbeitsabläufen. Der Rhythmus wechselt immer wieder und es lässt sich die gleiche Leitfrage auf den Sound von Moxi Beidenegl und die Körper der TänzerInnen übertragen – wer folgt hier wem? Woher kommen die Impulse? Tranceartig wird man dabei mitgenommen in eine besondere Klangwelt, die nicht nur imaginäre Räume andeutet, sondern ein sichtbares Zusammenkommen von einem gleichzeitigen Sehen und Hören von Bewegung kreiert. Wenn die Sounddesignerin dann gegen Ende des Abends, hinter die Wand tritt und die Soundlandschaft um ihre eigene Stimme erweitert, wird auch dieses Zusammenkommen von Hören und Sehen noch einmal komplexer. Der Tanz bleibt immer. Verhaftet als Spur im Raum.

Beim Zuschauen ist man Teil der Recherche und damit Teil eines Vorganges von dem man nur Momentaufnahmen erhascht. Was diese für Aussagen treffen können, bleibt im Laufe des Abends unklar. Denn die Transformationsprozesse von Sehen zum Hören und vice versa wirken trotz ihrer Momenthaftigkeit wie etwas, an dem man schon länger beteiligt ist. Selbst das eigentlich Flüchtige versetzt einen in nostalgische Atmosphären schon bekannter Themen, die keine Überraschungen mehr bergen.
 

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