„Sunny“ von Emanuel Gat

„Sunny“ von Emanuel Gat

Ein Stück Optimismus für die Sinne

„Sunny“ von Emanuel Gat und Awir Leon eröffnet „Tanz im August“

Der israelische Choreograf Emanuel Gat zeigt in Zusammenarbeit mit dem Produzenten und Singer/Songwriter Awir Leon sein neues Stück „Sunny“, das im Juni 2016 bei der Biennale in Venedig seine Premiere feierte, nun in Berlin.

Berlin, 13/08/2016

Von Charlotte Riggert

Bereits eine halbe Stunde vor Beginn der Vorstellung wimmelt es vor dem HAU 1 vor Menschen, mittendrin der Regierende Bürgermeister Michael Müller, streng beobachtet von seinen Bodyguards und plötzlich umzingelt von TänzerInnen in einer Art Schottenrock. Die Stimmung ist gut, die Erwartungen sind hoch. Die Eröffnungsrede von Annemie Vanackere betont die politische Ausrichtung des diesjährigen Festivals, sie spricht von der (körperlichen) Erfahrung des Schwindels in Zeiten des Umbruchs und bestimmt das „in Bewegung kommen“ als Modus, den Ungereimtheiten dieser Welt zu begegnen. Die künstlerische Leiterin des Festivals, Virve Sutinen, hingegen betont ihr Verständnis von Tanz als Methode, um Fragen zu stellen, oder, mit Deborah Hays Worten, als Ort, „to practice the deep ethics of optimism“.

„Sunny“ indes ist nicht unbedingt das diskursivste, aber doch ein Stück Optimismus für die Sinne. Es ist Livekonzert und tänzerischer Gestaltungsprozess, ästhetisch absolut sehens- und hörenswert. Eine Art Schamane eröffnet die Performance, erkundet vorsichtig den Raum, der in Stille getaucht ist, die nur durch das sachte Klimpern des Kostüms unterbrochen wird. Während die sieben Tänzerinnen und zwei Tänzer schon im Hintergrund zu sehen sind, betritt zunächst Leon die Bühne und beginnt, den legendären Hit „Sunny“ von Boney M. (1976) in abgespeckter und langsamerer Variante zu zitieren. Die tänzerische Bewegung, die jetzt einsetzt, erforscht diese Musik, sie fließt und formiert sich in lasziven Verschachtelungen, ohne abzubilden. Die Körper schaffen einen Raum, der Strukturen offenbart und gleichsam nicht festgelegt ist. Choreografie passiert hier, sie wird erlebbar durch die Impulse, die wie feine Lichtpartikel zwischen den TänzerInnen präsent sind, ohne dass sie vorausgeplanten Mustern folgt. Eine angenehme Entspanntheit macht sich breit – der Tanz darf hier ganz emergentes Phänomen sein. Es ergeben sich die unterschiedlichsten Formationen, von der Schwarmbewegung hin zu Unisonos, stets von Musik und tänzerischem Gegenüber inspiriert und intensiviert

„Sunny“ bleibt natürlich nicht der einzige Track der Performance, vielmehr verdichten sich die Klänge streckenweise zu dröhnenden Bässen mit Klubatmosphäre. Korrespondierend dazu zeigen die TänzerInnen einen Catwalk in bunten Fantasiekostümen, die, vielleicht ist das nun doch ein Fünkchen Politik, an eine Burka oder gar an Napoleon erinnern. Man könnte auch an Nicolas Winding Refns Film „A Neon Demon“ denken – tänzerische Bewegung und Musik jedenfalls kreieren ein anspruchsvolles ästhetisches Ereignis, dessen Energie als Raum voller Impulse wahrnehmbar wird.

Als man während der ruhigeren Endphase des Stücks zwischen den sanften Tönen Leons dann die Sektkorken im Foyer knallen hört und schließlich ein Black die Performance beendet, bestätigt der Applaus eine gelungene Festivaleröffnung.
 

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