„Malasombra“ von Cayetano Soto
„Malasombra“ von Cayetano Soto

Klein-Stuttgart liegt in Augsburg

Pick bloggt über „Soto Danza“, einen Ballettabend von Cayetano Soto

Vier unterschiedliche Choreografien spiegeln die Handschrift des Choreografen wieder und werden von brillanten Tänzern interpretiert

Augsburg, 12/07/2016

Immer wenn ich über Augsburg schreibe, bin ich natürlich irgendwie voreingenommen, denn ich wurde ja an dieses Theater engagiert, damit es nach langer Abwesenheit auf der Ballett-Landkarte wieder einen Platz bekam, der von Erich Payer und dann Eva Lerchenberg-Thöny, Jochen Heckmann und Philip Taylor gefestigt wurde – und nun durch Robert Conn zu einer ungeahnten Blüte aufgegangen ist.

Vorweg möchte ich bemerken, dass das Augsburger Publikum sicher kaum anders ist als die Menschen in anderen Städten, außer dass sie möglicherweise durch die Nähe einer Kulturmetropole, wie München es ist, manchmal etwas neidisch auf die Landeshauptstadt schielen. Was den Tanz betrifft, haben sie dazu aktuell keinen Anlass, denn die Tänzer, die heute in Augsburg tanzen, könnten auch in Stuttgart oder in München ein Engagement finden, wenn sie zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort wären.

Ob das jeweils auch auf die Choreografen zutrifft, ist eine andere Frage, aber das trifft genauso auf die beiden genannten Staatstheater zu und es schwankt natürlich auch, denn nicht jedes Projekt (um das neue Lieblingswort der Choreografen zu benutzen) kann immer ein Wurf sein. Das übrigens gilt für alle Künstler und alle Sparten. Augsburg hat zurzeit einen Direktor, der offensichtlich ein gutes Händchen hat, so wie seine Kollegen in München (Ivan Liška) und Stuttgart (Reid Andersen) bisher. Jetzt aber genug der Einführung, zur Sache Pick!

Ich hatte das Vergnügen – und ich meine das, wenn ich es schreibe –, den letzten Abend dieser Spielzeit zu sehen, der Gayetano Soto gewidmet ist und der einen zwar nicht vollständigen Überblick, aber doch vieles von seinen Erstlingswerken bis zu recht neuen Stücken anbietet. Leider war Gayetano gesundheitlich so angeschlagen, dass er keine Kreation für die Augsburger machen konnte.

Der Abend begann mit „Plenilunio“ mit Musik von Alberto Iglesias für drei Paare, das vom Schrittmaterial und dem ganzen Stückaufbau noch stark der „Holländischen Schule“ (ich meine nicht die Maler, sondern zur Abwechslung das NDT eines Hans van Manen und Jiří Kylián oder auch Philip Taylor) verpflichtet ist. Und der Titel sagt wie üblich nichts über das, was wir sehen. Aber das macht nichts, die Tänzer reißen es hoch!

Ein schöner Einfall ist der offene Umbau zum nächsten Stück, wobei Musik von Iglesias von weitem tönt und die Techniker in einer Art Eigeninszenierung die notwendigen Veränderungen an Beleuchtung und Bühne vornehmen. Der nächste Titel „Fugaz“ (spanisch für flüchtig, vergänglich) hilft ein wenig zum Verständnis des Inhalts und die Atmosphäre einer Trauermusik und einer derartigen Choreografie lassen keinen Frohsinn aufkommen. Wirkliches Leiden am Tod eines geliebten Menschen (Gayetanos Vater) kommt nicht auf, eher – wie von Gayetano Soto auch gewollt – Erlösung und Hoffnung, getanzt von vier Damen und zwei Tänzern.

Nach der Pause im Foyer der schönen Brecht-Bühne sind wir bei „Uneven“ mitten in der Hoffnung angekommen. Die Kompanie besteht nun aus vier Paaren. Das Stück zu einer Cello-Musik des Amerikaners David Lang ist von Soto sehr musikalisch übersetzt, allerdings sind mir die im Titel benannten Unebenheiten nicht aufgefallen. Glücklicherweise auch nicht, was das Programmheft trotz schöner Fotos vorschlägt, nämlich: … eine Art Psychoanalyse ... Soto: „Wenn ich mein Stück sehe, dann analysiere ich mich selbst.“ Für derartige Kurzschlüsse gibt es von anderen Stücke-Erfindern weiß Gott schlimmere Beispiele. Auch der schräg ausgelegte weiße Boden hilft da wenig. Wieder gibt es einen offenen Umbau zum letzten Stück, den die Techniker und Beleuchter in Ruhe vollziehen. Während der Boden aufgewickelt wird, läuft ein Video rechts und links des Zuschauerraums.

Das letzte Stück „Malasombra“ beschäftigt sich mit Leben und Musik der kubanischen Latin-Soul-Sängerin La Lupe, die in New York Karriere gemacht hat. Die Lady war mir bislang kein Begriff, hat sich mir trotz eines gesprochenen Textes nicht sehr erschlossen, aber das raffiniert beleuchtete Stück hat durchaus Unterhaltungscharakter und entlässt den Zuschauer nach einem vielfältigen Abend, den die Tänzer im besonderen Maße tragen. Und ich nenne stellvertretend für alle anderen Janet Sartore, die an diesem Abend ihren Abschied von der Bühne nahm, mit Blumen geehrt, neben Yurie Matzuura, Mark Radjapov, Theophilus Vesely und Ricardo De Nigiris, der bei tosendem Applaus die Regie übernahm – wie es sich für einen Resident Choreographer als Nebenjob gehört.

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