Rudolf Nurejews "Schwanensee" an der Pariser Oper
Rudolf Nurejews "Schwanensee" an der Pariser Oper

Junge Schwäne an der Seine

Rudolf Nurejews „Schwanensee“ in neuen Besetzungen an der Pariser Oper

Es ist eines der Anliegen des neuen Ballettdirektors der Pariser Oper, Benjamin Millepied, jungen Talenten Chancen zu geben, sich in großen Rollen zu beweisen, oft unter Missachtung der in dieser Kompanie bisher sakrosankten Hierarchie.

Paris, 19/03/2015

Es ist eines der Anliegen des neuen Ballettdirektors der Pariser Oper, Benjamin Millepied, jungen Talenten Chancen zu geben, sich in großen Rollen zu beweisen, oft unter Missachtung der in dieser Kompanie bisher sakrosankten Hierarchie. Nach den erfolgreichen Rollendebüts mehrerer Halbsolisten in Rudolf Nurejews „Nussknacker“ im Dezember setzte die Direktion auch in Nurejews ebenfalls psychoanalytisch angehauchtem „Schwanensee“ auf Nachwuchskräfte und stellte die Paare so zusammen, dass sie eher in Stil und Temperament als im offiziellen Rang harmonierten.

Bereits die zweite Vorstellung des Balletts wurde von einer Halbsolistin angeführt, die neben dem Danseur Étoile Josua Hoffalt ihr Rollendebüt als Odette/ Odile gab. Und was für ein Debüt! Héloïse Bourdon beherrschte von ihrem ersten Auftritt im zweiten Akt an die Bühne. Die höchst grazile Tänzerin überzeugte vor allem als Odette durch ihre weichen Ports de bras und zarten Handgelenke, aber auch durch ihre exzellenten Arabesken und sicheren Balancen. Ihre Odette ist leicht, fragil und etwas staksig wie ein junger Schwan. Insofern kann man nur staunen, dass sie auch als Odile im dritten Akt eine sehr gelungene Darbietung lieferte. Ihre Verführungskunst basiert vor allem auf ihrer Ungreifbarkeit – sie ist wie eine Erscheinung, die der Prinz nicht wirklich fassen kann. Zum Abschluss verwirrt sie Siegfrieds Sinne noch mit einer Serie von Fouettés von selten gesehener Musikalität und Präzision.

Obwohl Rudolf Nurejews „Schwanensee“-Prinz einiges an tänzerischem Gewicht gewonnen hat, bleibt er doch stets im Nachteil in dem Werk, und seine Rolle hat nur bedingtes darstellerisches Interesse. Dementsprechend wusste Josua Hoffalt, der das Werk ebenfalls zum ersten Mal tanzte, bis zu seinem „Verrat“ an Odette nicht genau, welcher Gesichtsausdruck seiner Situation angemessen wäre, doch rührt er durch seine Verzweiflung im Pas de deux des vierten Aktes. Tänzerisch überzeugt er vor allem in den virtuosen Passagen durch seine leichten, weiten Sprünge und seine makellose Linie.

Darstellerisch interessanter ist die Rolle des Wolfgang/ Rothbart, den Nurejew zu einem Freudschen Double des Prinzen machte. Hier sorgte der Halbsolist Florimond Lorieux für eine Überraschung, sowohl durch seine ungeahnte diabolische Ausstrahlung, mittels derer er das Geschehen und den ahnungslosen Prinzen nach seinem Gutdünken lenkte, als auch durch seine sichere Technik im von Nurejew eingefügten Solo des dritten Aktes, dessen tückische Serie von doppelten Double tours en l’air schon manchen Danseur Étoile aus der Fassung gebracht haben.

In den weiteren Solorollen verdienen der virtuose Germain Louvet und die strahlende Hannah O’Neill im Pas de trois des ersten Aktes Erwähnung – vor allem letztere beweist klares Potential für größere Herausforderungen.

Trotz Nurejews starker Betonung der männlichen Tänzer – so lässt er unter anderem die Polonaise des ersten Aktes von einem reinen Herren-Corps de ballet bestreiten – triumphierten an diesem Abend eindeutig die Damen, allen voran Heloïse Bourdon, die bei diesem Rollendebüt wie von einer inneren Inspiration getragen wurde, sowie das glänzende Corps de ballet der Schwäne, dessen Synchronität und Präzision der Stolz von Frankreichs erster Kompanie sind.

Angesichts dieser höchst gelungenen Vorstellung wartet man mit Spannung auf die nächsten vielversprechenden Rollendebüts von Laura Hecquet, Hannah O’Neill und Sae Eun Park (Odette/ Odile) sowie Audric Bezard, Yannick Bittencourt und François Alu (Siegfried).

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