„Plafona Now“ von Sharon Eyal

„Plafona Now“ von Sharon Eyal 

Tanzt, tanzt – am besten aus der Reihe!

„Plafona Now“ von Sharon Eyal und Gai Behar bei tanzmainz

Ein Foto zu finden, auf dem Sharon Eyal lächelt, muss eine kleine Sensation sein. Die Israelin gibt sich gern (selbst)kritisch; am liebsten würde sie ihre choreografische Arbeit auf die Perfektionierung eines einzigen, sensationellen Stücks beschränken.

Mainz, 23/12/2014
Ein Foto zu finden, auf dem Sharon Eyal lächelt, muss eine kleine Sensation sein. Die Israelin gibt sich gern (selbst)kritisch; am liebsten würde sie nach eigenem Bekunden ihre choreografische Arbeit auf die Perfektionierung eines einzigen, sensationellen Stücks beschränken. Für diesen Plan hat die ehemalige Startänzerin und spätere Hauschoreografin der Batsheva Dance Company noch keinen Abnehmer gefunden; an Aufträgen renommierter Kompanien mangelt es ihr indessen nicht.

Der neue Tanzdirektor in Mainz, Hanne Dormann, hat mit ihr in Oldenburg bereits einen Erfolgstreffer (inclusive Faust-Nominierung) gelandet. Das damals entstandene Stück wurde für tanzmainz ganz neu aufgelegt: „Plafona Now“ bot der Choreografin zumindest ein Optimierungs-Häppchen, das sie weidlich genutzt hat.

Sharon Eyal kommt gern im Viererpack: neben Lebensgefährten und Co-Choreograf Gai Behar sind auch Sounddesigner Ori Lichtik und Licht- und Raumdesigner Avia Yona Bueno (alias „Bambi“) mit von der Partie. Mit diesen Partnern hat Sharon Eyal bereits „Bill“ erarbeitet, und der neue Tanzabend im Mainzer Schauspielhaus beginnt mit fünf fließend ineinander übergehenden Solos aus diesem Stück, allesamt höchst sehnsuchtslastig. Ballettvokabular blitzt noch hier und da wie eine schöne, ferne Erinnerung auf. Aber es ist alles da, was Sharon Eyal so schnell in die oberste Etage der internationalen Choreografen-Zunft katapultiert hat: hypnotischer Techno-Beat, ausgeklügeltes Licht, Trikots wie eine zweite, artifizielle Haut und eine Bewegungssprache, die manchmal fast steril wirkenden Tanzrobotern heftige Emotionen zugesteht. In „Corps de walk“ (für die norwegische Company „Carte Blanche“, voriges Jahr in Ludwigshafen zu Gast) marschieren diese Tanz-Soldaten beiderlei Geschlechts erbarmungslos über jede Individualität hinweg.
Auch in „Plafona Now“ geht es um den Einzelnen und die Gesellschaft, aber wie anders wirkt hier die elfköpfige Gruppe: Mit weit ausgebreiteten Armen verbinden sich die elf Mitglieder von tanzmainz zu einer verschworen wirkenden Gemeinschaft, die in den stärksten Momenten zu einem einzigen atmenden Ganzen zusammenwächst. Allmählich gibt Sharon Eyals Choreografie den Einzelnen Raum und lotet ein vielfältiges, vielschichtiges und immer wieder überraschendes Beziehungsgeflecht aus.

Es ist schon ein kleines Wunder, wie die brandneu zusammengestellte Mainzer Truppe die hohen Präzisionsanforderungen meistert. Mit hüftlangem offenem Silberhaar, teils mit Vollbart wirken die Männer wie Schamanen aus einer fernen Zukunft – die Frauen mit weiß betontem Mittelscheitel und asymmetrischen weißen Flecken auf den Nude-Trikots wie Aliens.

Die pulsierende Energie trägt 60 Minuten lang. Am Ende ein Beifallssturm, gespickt mit spitzen Jubelschreien, und eine skeptisch dreinblickende Sharon Eyal – nein, gelächelt hat sie nicht.

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