„Schwanensee“ von Ralf Rossa

„Schwanensee“ von Ralf Rossa

Es begann am Schwanensee

Seit 15 Jahren lockt Ralf Rossa mit seinen Geschichten ins Ballett Halle

In der Spielzeit 1998/99 stellte sich der Choreograf mit einer speziellen Fassung des Ballettklassikers „Schwanensee“ dem Publikum vor. Und auch heute noch kann er mit dessen Neueinstudierung begeistern.

Halle, 02/12/2014

Als in der Spielzeit 1998/1999 Ralf Rossa Ballettdirektor und Chefchoreograf beim Ballett der Oper Halle wurde, begann eine Erfolgsgesichte für den Tanz in der Saalestadt, die bis heute ungebrochen ist. Man denke nur an so außergewöhnliche Ballettabende wie „Schlafes Bruder“, „Nijinsky“, „Ein Sommernachtstraum“, „Endstation Sehnsucht“, „Amadeus“ oder „Peter Pan“. Mit seiner speziellen Sicht auf einen Klassiker des romantischen Balletts, nämlich auf Peter Tschaikowskis „Schwanensee“, stellte sich Ralf Rossa vor 15 Jahren in Halle vor, das Publikum war begeistert und ist es immer noch. So wurde auch die aktuelle Premiere mit der Neueinstudierung von „Schwanensee“ ein großer Erfolg.

Zunächst aber gab es einen großen Schreck vor der Premiere. Während der Generalprobe verletzte sich der Solist Michal Sedláček in der Hauptrolle des Prinzen bei einem Sprung und Ralf Rossa stand mit seinem Ballett zunächst vor einem großen Problem, das er jedoch grandios löste: Martin Buczkó, der vor 13 Jahren in der Choreografie von Ralf Rossa die Partie des Prinzen getanzt hatte und danach als Solist an das Berliner Staatsballett wechselte, sprang kurzerhand zur Premiere ein. Ganze sieben Stunden hatte er Zeit, sich im besten Sinn des Wortes einzutanzen. Für ihn sei es so etwas wie ein emotionales Déjà-vu gewesen: Plötzlich war alles wieder da. Und diese Partie hat es in sich: Im Grand Pas de deux des dritten Aktes übernimmt Rossa die hohen technischen Ansprüche aus der Originalchoreografie von Marius Petipa. Die haben Martin Buczkó und seine Partnerin gemeistert. Hinzu kommt, dass Ralf Rossa ein großer Geschichtenerzähler ist. Sensibel berichtet er von menschlichen Verwirrungen und Verirrungen in seinen Balletten - und auch da war der Einspringer Buczkó in der Darstellung glaubhaft.

Im Vordergrund des Stückes steht der Prinz als junger Mann und seine Erzieherin. Dabei könnte es sich auch um eine verfremdete Beziehung zwischen Sohn und Mutter handeln. Der junge Mann wird von einem traumatischen Erlebnis verfolgt: Bei einem nächtlichen Ausflug mit seiner Jugendliebe Odette an einen See ertrinkt das Mädchen beim Schwimmen. Fortan gibt er sich an diesem Tod die Schuld. In seiner Fantasie lebt Odette weiter als Schwan. Was der Prinz verdrängt, weiß man jedoch als Zuschauer: Die Erzieherin hat ihn nämlich daran gehindert, das Mädchen zu retten. Und sie wird selbst, als sich der junge Mann mit Odile verlobt, in der er Odette zu erkennen meint, Mittel finden, um seine Wahnvorstellungen von todbringenden Schwanenwesen und seinem Versagen anzustacheln. Dabei erliegt sie aber tragischerweise selbst dem Wahn, da sie versucht, sich die Macht über den jungen Mann als ihr Objekt der Begierde zu sichern.

Auch wenn es nicht wie in klassischen Inszenierungen das große weiße Bild mit dem abstrakten Tanz der vielen Schwäne gibt, auf tänzerische Opulenz muss in Rossas Hallenser Fassung nicht verzichtet werden. Es gibt sie, die walzerseligen Ballszenen, die nächtlichen Tänze der Schwäne - im Sinne der Handlung sind diese Flügelwesen aber mehr eine Mischung aus Seelen- und Totenvögeln. Es gibt zudem einen knallbunten Maskenball, auf dem es marokkanisch, spanisch und neapolitanisch zugeht. Choreografisch versteht es Ralf Rossa klassische Elemente, wie den Spitzentanz zeitgemäß, wenn nötig auch sehr unterhaltsam, einzusetzen: Keine Scheu vor der Show auf Spitze!

Dass die Ausstattung von Heinz Balthes und die Kostüme von José-Manuel Vazquez doch zu sehr den Farben des Zeitgeistes vor 15 Jahren verpflichtet sind, fällt zwar auf, aber letztlich nicht allzu sehr ins Gewicht, angesichts der individuellen, authentischen Ausstrahlung der Tänzerinnen und Tänzer, denen der Dirigent Andreas Henning mit den Musikern der Staatskapelle ein sicheres Klangfundament bereitet.
 

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