Filip Barankiewicz (Petrucchio) & Blythe Newman (Katharina)
Filip Barankiewicz (Petrucchio) & Blythe Newman (Katharina)

Noch'n Wunder in Karlsruhe!

Pick bloggt

„Der widerspenstigen Zähmung“ von John Cranko am Badischen Staatstheater

Karlruhe, 25/11/2014

Das eigentliche Wunder ist nicht die Aufführung, sondern die Tatsache, dass sie überhaupt stattfindet in nächster Nähe des Mutterhauses der Staatsoper Stuttgart, wo die glanzvolle Uraufführung eines der besten Stücke von J. Cranko mit den damals schon zu internationalen Stars avancierten Solisten M. Haydee, R. Cragun, S. Hanke, H. Clauss, J. Neumeier und last but not least dem noblen E. Madsen als Komödiant par excellence. Im Programmheft bemerkt die Ballettdirektorin Birgit Keil ausdrücklich ihre Dankbarkeit für die Rechte an die Verwalter des Cranko-Erbes Dieter Gräfe und Reid Anderson. Mit dieser Premiere geht das Ensemble endgültig ein in den Gotha des Ballettadels und ihm wird hoffentlich weiter von Land und Stadt größtmögliche Förderung zuteilwerden, nicht zuletzt mit diesem außergewöhnlichen Erbe!

Wenn ich gesagt habe, das Wunder sei nicht die eigentliche Aufführung, so ist das gelinde gesagt eine schamlose Untertreibung, denn die Einstudierung ist mit größter Sorgfalt und Liebe gemacht und technisch ohne Makel über die Bühne gegangen. Und das sollte wohl nicht sehr verwundern, denn B. Keil und W. Klos sind schließlich aus dem Stuttgarter Humus gezogen und kennen auch kleinste Details und Tricks z. B. bei den äußerst vertrackten Pas de deux, die von Blythe Newman makellos getanzt – und nicht zu vergessen gespielt – werden mit ihrem Partner Filip Barankiewicz. Dieser außergewöhnliche Tänzer, der diese Rolle schon im Stuttgarter Original getanzt hatte, ist ihr – bei aller gespielten Boshaftigkeit – ein Partner, wie es sich nicht nur Ballerinen erträumen.

Obwohl ich seit den ersten Aufführungen in Stuttgart und München das Ballett mehrfach in den verschiedensten Besetzungen gesehen habe, gehörte es nicht zu meinen Lieblingsstücken, ich fand es immer ein wenig verzopft ... Glücklicherweise wird man mit zunehmendem Alter auch reifer. Was ich damals (ich hatte es lange nicht gesehen) nicht bemerkt habe, ist die Hintergründigkeit des südafrikanischen Briten John Cranko, die bei aller Platitude, (die das Publikum am Ende zu Standing Ovation hinriss) doch durchblicken lässt: Ich könnte auch anders! – Das ist wohl das Schwerste bei Komödien, sowohl für die Erfinder als auch für die Interpreten.

Als ich in der Vorstellung saß und vor allem auch auf dem Heimweg nach München, habe ich mich gefragt, warum heute niemand mehr solche großartig unterhaltenden Inszenierungen macht. Wenn es ein Choreograf oder Regisseur heute auf die Bühne bringt, wird es im Irrenhaus stattfinden oder in einer Kaufhofdekoration in Jeans und Cocktailkleid, vor lauter Angst man könnte ihn/sie für ewig gestrig halten. Wenn ich am Bahnhof auf meinen Zug warten muss, sehe ich jeden Tag diese recht bunten abgedrehten Figuren, die sich phantasievoller anziehen als die Bühnenmenschen und sich nicht einmal schlecht benehmen, sondern in aller Öffentlichkeit ihr mehr oder weniger spannendes Privatleben ausbreiten.

Möchte ich nicht, wenn ich ins Theater gehe, teuer genug ist es ja, eine andere Welt sehen, als die, die im Alltag und vor allem auch im Fernsehen, weiß Gott wieviel Platz einnimmt?

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