Susanne Linke und Koffi Kôkô in „Mistral“

Susanne Linke und Koffi Kôkô in „Mistral“

Konfrontation und Kommunikation

Susanne Linke und Koffi Kȏkȏ im Duett

Im Frühjahr 2013, so geht die Überlieferung, trafen sie sich im Café Mistral am Théâtre de la Ville, das, 1862 eröffnet, nach wechselvoller Geschichte heute als die erste Adresse für zeitgenössischen Tanz in Paris gilt.

Berlin, 16/10/2014

Im Frühjahr 2013, so geht die Überlieferung, trafen sie sich im Café Mistral am Théâtre de la Ville, das, 1862 eröffnete, nach wechselvoller Geschichte heute als die erste Adresse für zeitgenössischen Tanz in Paris gilt. Pina Bausch etwa erlebte hier triumphale Gastspiele. Auch sie, Susanne Linke und Koffi Kȏkȏ, zählen zu den Großen ihres Fachs, wiewohl verschieden in den Ausdrucksmitteln. Linke, ausgebildet noch bei Mary Wigman und in der Folkwangschule, ist die letzte bedeutende Solistin in der Tradition einer Tanzmoderne, die auf das Tanztheater trifft. Wohlkalkulierte Abstraktion heißt ihre Sprache, die selbst emotionale Zustände noch in eine Form gießt und so vorm Überborden schützt. Kȏkȏs Werdegang ist eher ambivalent. Als Sohn eines späteren Diplomaten im französisch kolonialisierten Benin geboren, wurde er Jesuiten-Zögling und zugleich in die Weihen eines Voodoo-Priesters eingeweiht. So schnitten sich in ihm bereits früh afrikanisches Ritualwissen und Zugewandtheit zu einer damals mehr gefühlten als bewussten Moderne. In Paris lernte er beides kennen, Tanzkompanien aus anderen Ländern Afrikas und zeitgenössische Gruppen.

Im Lauf eines Jahre währenden Reifungsprozesses fand er zu einem eigenwilligen Personalstil, der den zeitgenössischen Tanz in Afrika begründen half. In ihm mischen sich Kenntnisse um das Reinigungsritual der Voodoo-Religion mit tänzerischen Elementen, die weit darüber hinaus führen. Wer Vorstellungen mit ihm gesehen hat, kann sich auf lange Zeit der suggestiven Kraft seiner Bilder nicht entziehen, die demonstrative Langsamkeit mit einer nach innen gekehrten, dennoch stark ausstrahlenden Emotionalität verbinden, den Zuschauer behutsam, aber intensiv anfallen. Scheinbar also treffen mit Linke und Kȏkȏ radikale Gegensätze aufeinander. Was die begnadeten Performer eint, sind Respekt vor der Arbeit des anderen und der Wille zu einer gemeinsamen Bühnenaktion. „Mistral“ heißt das Ergebnis, hier womöglich von dreifacher Bedeutung. Denn Mistral bezeichnet, außer dem Namen des Cafés der ersten Begegnung, einen kalten Wind, der die französische Küste überweht, und ebenso eine Schriftart.

Um eine gemeinsame Handschrift geht es in dem Duett gewiss, vielleicht sogar einen frischen Wind, der Afrika und Europa einander zumindest im Tanz näherbringt. Denn freilich lassen sich andere Kontexte nicht ausklammern. Da stoßen Sichtweisen auf Bewegung, ihre Ursprünge und Anliegen zusammen; da treffen sich jedoch auch eine Weiße und ein Schwarzer, was koloniale Assoziationen auslösen könnte. Und es begegnen sich eine von der Religion befreite, selbst zu einer Art Religion gewordene Ausdrucksform und die spirituell ritualisierte Hingabe an den Tanz im selben Bühnenraum. Ob es beim bloßen Nebeneinander bleibt oder sich eine synergetische Kommunikation ergibt, darf man gespannt erwarten.

17.-19. Oktober, Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, Tiergarten, Karten unter 200 57 1000, www.adk.de

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