„Crooked Man“ von und mit Eduardo Fukushima

„Crooked Man“ von und mit Eduardo Fukushima

Zwischen Selbstbehauptung und Formalästhetik

Erste Gastspiele beim Berliner Festival „Tanz im August“

Mit der kleinen, aber feinen Produktion von Eduardo Fukushima hat der 26. „Tanz im August“ seinen bisherigen Höhepunkt erreicht. Eingeleitet hatten ihn zwei enttäuschende Gastspiele bekannter Compagnien.

Berlin, 21/08/2014

Ein Mann strubbelt sich das schwarze Haar, winkt ab, bedauernd oder resignierend, mehrmals. Dann beginnt er zu einem sanften Song zu tanzen. Allein auf der weiß ausgeschlagenen Szene des HAU 3. So intensiv, dynamisch, rund und raumfüllend, dass man nicht aufhören mag, ihm zuzuschauen. Klein ist er, hat kurze Beine, doch welch ein Tänzer! Hält der Brasilianer Eduardo Fukushima in „Between Contentions“ einen Moment der leisen Unsicherheit im Widerstreit mit sich selbst fest, widmet sich „How to overcome the great tiredness?“ als sein zweites Solo der schlichten Frage, wie man gegen Müdigkeit ankämpfen könne. Aufregend klingt das nicht, was Fukushima indes daraus macht, ist es allemal. Immer wieder prallt seine Stirn gegen die Wand und rutscht daran ab, bis der Körper am Boden liegt. Als der Beat ihn antreibt, gerät er wie getrieben in Rage, fällt um, sucht wiederholt nach Standfestigkeit und gestaltet unversehens die Tragik des Gefangenseins: in Müdigkeit oder im geschlossenen Raum. Er zittert, kippt, kriecht, Glied für Glied, strampelt und ruckt, er bäumt sich auf, rudert, schlittert, verausgabt sich in permanent sich steigerndem Gehetztsein. Am Ende ein Hauch von Ironie: Er steht auf und läuft einfach weg. Einen Ausweg findet man stets, dies die frohe Botschaft.

Mit dieser kleinen, aber feinen Produktion hat der 26. „Tanz im August“ seinen bisherigen Höhepunkt erreicht. Eingeleitet hatten ihn zwei enttäuschende Gastspiele bekannter Compagnien. Alleinsein und Einsamkeit will Daniel Léveillé aus Quebec mit fünf Tänzern in einer Folge von Soli gestalten. Weshalb das fortwährend mit krachenden Landungen aus wenig beherrschten Lufttouren Bachs Begleitmusik erdschwer zertrampeln muss, ist unklar. Kaum variant geraten die Soli, es bleiben einige gute Bewegungsideen.

Gewichtiger steht die Frage, weshalb Virve Sutinen, die neue künstlerische Leiterin des Festivals, nach dem Debakel vom Vorjahr wiederum Trajal Harrell aus New York einladen musste. Diesmal fahndet der geriebene Trash-Guru dem Zusammenklang des antiken Dramas um Antigone mit der Harlemer Voguing-Kultur nach. Das lässt so Schlimmes ahnen, wie der geschlagene 140 Minuten währende Mix aus peinlicher Einfalt und dreister Anmache mit Tanz, Musik, Modenschau, Spiel auch lieferte. Sehr gute Darsteller von unermüdbarem Engagement, im Fall Thibault Lacs zudem warmtönigem Gesang, machen Harrells penetrant nervende Kommentare nicht wett.

Dass auch der Brite Michael Clark nach seiner langen Berlin-Abstinenz nicht zu überzeugen wusste, mag man bedauern. Sein dreigeteiltes Programm „Animal/Vegetable/Mineral“ zitiert mit vorzüglichen Interpreten bieder klassisches Repertoire, schrägt es leicht an und kombiniert es mit Rock und Punk. Gut ist das anzusehen, bleibt jedoch allzu kühl, mechanisch und minimalistisch, wiewohl in bildschönen Kostümen. Als am Ende überdies Film die Leinwand im Haus der Berliner Festspiele füllt, verschlägt es der Choreografie die Sprache.

Weniger ambitioniert, aber sehr präzis ließ in den Sophiensaelen die Italienerin Cristina Caprioli ihre sechs Tänzer agieren und lieferte in diverser Formation filigrane Raumerkundungen zur Funktionalität des Körpers, frei und harmonisch fließend, mit sich verlängernden, kreuzenden, verknotenden Linien.

Noch bis 30.8.
 

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