„um (-) räumen“ von Wagner Moreira

„um (-) räumen“ von Wagner Moreira

Wenn der Geist unruhig bleibt

Die Reihe „Linie 08“ in Hellerau

Seit einiger Zeit übt sich die freie Tanzszene Dresdens im regen Austausch mit anderen Städten. Diesmal war das Festspielhaus Hellerau Gastgeber für Arbeiten aus Regensburg.

Dresden, 31/05/2014

Es dauerte etwas, bis der Abend in Schwung kam. Das Solo von Berenika Kmiec (Regensburg) begann zwar vielversprechend mit einer Interviewsituation, in der die Unmöglichkeit der Erklärung eines kreativen Prozesses angerissen wurde. Die Tänzerin begab sich dann aber in einen tänzerischen Experimentierraum, der nur ihr gehörte und keine Ergebnisse barg. Die nichtssagende Beliebigkeit ihrer Lockerungsübungen wurde abgelöst von desto größeren Gesten der Zurschaustellung von Emotionen und mimischer Umsetzung des Klassikers „What a feeling“. Hier sieht man, der Möglichkeiten im Ausdruck sind gar viele. Vielleicht sogar zu viele. Abschließend pflanzte sie sich selbst in Gartenerde und begoss die Sache. Auch im übertragenen Sinn. Das ließ sie albern werden, bis ihre Stimmung kippte. Wie der Titel ihrer Arbeit schon verrät: „Nicht witzig“. So ein Schaffensprozess ist in seiner Herausforderung tatsächlich alles andere als amüsant. Deshalb nennt man ihn auch Arbeit. Aber sonst? Außer auf sich selbst verwies das Stück auf nichts.

Auch Helena Fernandino (Dresden) hatte wenig zu lachen. Ihr „Amparo“ stand für Zerbrechlichkeit und Risiko. Sinnbildlich fand sie ihren Ansatz in bunt gefärbten Eiern - manche roh, manche gekocht, wie sich zeigte - während sie sich in großer Geste durch deren bunte Reihe wälzte. Dank ihrer Leidenschaft waren am Ende alle Eier zerstört, selbst das letzte rohe, ein ungefärbtes, lässt sie achtlos fallen. Aus und vorbei. Dieses Ende wirkt wie eine Befreiung. Aber wie es immer wieder vorkommt, blieb auch hier die Notwendigkeit dieser übergroßen Geste in der Dramatik fragwürdig.

Den richtigen Rhythmus fand Alexandra Karabelas (Regensburg) mit dem dritten Teil ihrer „Hungry Butterflies“. Eine sirrende Geige und eine dunkle Pauke, live gespielt, lieferten die klangliche Tapete, vor der sich Mann und Frau unter Anstrengungen einander anzunähern versuchen. Beider Kommunikation ist zunächst „falsch“ gerichtet, für sich und kann den anderen so unmöglich erreichen. Allmählich finden Musik und Tanz jeweils zu einem Rhythmus, wobei ein intimes Miteinander der Instrumente deutlich einfacher und schneller erreicht wird, weil wohl erreicht werden kann. Mann und Frau als Menschen benötigen dafür länger, aber es gelingt. Schließlich sind sie eine Strecke lang sogar synchron. Ein Ende wird das nie haben. Ankommen ist für einen suchenden Menschen nicht möglich. Nur die Musik findet zu sich und schafft es, dort zu verbleiben. Beeindruckend ist hier die Parallelität, die Gleichberechtigung zwischen Tänzern und Musikern, die sich so gegenseitig in der Komplexität ihrer Aussage komplementieren.

Dass zur Unterstützung der eigenen Aussage auch zwei bescheidene Beistelltische ausreichen können, zeigte Wagner Moreira (Dresden) mit „um(-)räumen“. Energiegeladen räumt er in seinem Solo um und um und ist es dabei selbst, der beräumt wird. Wie in einem kreativen Spiel schaut man diesem nahezu selbstvergessenen Derwisch zu und weiß, dass aufräumen anders aussieht. Hier herrscht die Unruhe des Unterwegs-Seins. Irgendwie erschien es dann fast, als hätte er eine Art Lösung gefunden, ganz für sich allein. Hoffentlich nicht. Das wäre das Ende.

Der Abend vereinte schlichtweg die ewige Schwierigkeit allen choreografischen Arbeitens. Wie kann es gelingen, Aussage mit Form in Einklang zu bringen? Diese Frage stellt sich nicht nur dem Künstler, sondern auch dem Publikum. Also immer noch Tanz als Versuch der Kommunikation. Und Versuch wird es bleiben.
 

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