Douglas Lee bei Proben zu seinem Stück „A-Life“ am Zürcher Ballett

Douglas Lee bei Proben zu seinem Stück „A-Life“ am Zürcher Ballett

Im Balanceakt

Douglas Lee über sein Leben zwischen Berlin und der Welt der Balletthäuser

Der ehemalige Erste Solist des Stuttgarter Balletts ist seit drei Jahren ausschließlich als Choreograf unterwegs. Seine jüngste Kreation „A-Life“ wurde vor wenigen Tagen beim Ballett Zürich uraufgeführt

Zürich, 17/02/2014

Douglas Lee, ehemaliger Erster Solist des Stuttgarter Balletts, ist seit drei Jahren ausschließlich als Choreograf unterwegs. Seine jüngste Kreation „A-Life“ wurde vor wenigen Tagen beim Ballett Zürich uraufgeführt und frenetisch bejubelt. Noch in diesem Jahr entstehen weitere Choreografien für das ballettmainz, das Stuttgarter Ballett und das Ballett am Staatstheater Nürnberg. Alexandra Karabelas sprach mit dem 37-Jährigen zwei Stunden vor der Premiere am Zürcher Opernhaus über den Seitenwechsel.

Douglas, Dein Gesicht ziert die Titelseite des Opernmagazins. Erinnerst Du Dich noch an das Titelbild des Programmheftes über Dein erstes Stück am Großen Haus beim Stuttgarter Ballett? Es hießt „Aubade“.

Douglas Lee: Ja. Mir scheint, dazwischen liegt ein ganzes Leben.

Hast Du damals zuweilen bereits daran gedacht, dass Du es als Choreograf zu etwas bringen würdest?

Douglas Lee: Nein, habe ich nicht. Es war - erstens - nicht mein Ziel, mit meinem Gesicht auf ein Magazincover in der Schweiz zu kommen, und zweitens war ich damals gar nicht so weit. Ich war jünger und habe noch viel getanzt. Ich war viel mehr im Moment und dachte nicht an das nächste Jahr oder an die Zukunft. Erst als ich mich als Tänzer vom Stuttgarter Ballett verabschiedet hatte und damit nicht mehr zwischen den verschiedenen Rollen und Ballettsälen hin und her springen musste – hier schnell den Paris-Pas de deux aus „Romeo und Julia“ proben, zwei Stunden später das eigene Stück entwickeln – habe ich intensiver über das Choreografieren nachgedacht. Ich war dann schnell sehr glücklich damit, reisen und sehr kreativ sein zu können.

Wie hast Du Deine Auftragslage in den vergangenen drei Jahren entwickelt? Profitierst Du sehr vom Stuttgarter Netzwerk oder musstest Du Dich auch um Deine Aufträge bemühen?

Douglas Lee: Von meiner Persönlichkeit her bin ich im Grunde eher ein schüchterner Typ. Das Netzwerken liegt mir insofern nicht primär. Als ich vor drei Jahren anfing, hatte ich ein, zwei Ballette zu kreieren, und dazwischen lag freie Zeit. Auf diese Weise war ich gezwungen, mich ein wenig umzuschauen, meine Website zu aktualisieren, und hier und da Kontakt aufzunehmen. Das wiederum war sehr hilfreich. Man muss sich als Freelancer mehr anstrengen und zeigen, wenn man nicht mehr die Sicherheit einer Compagnie um sich hat.

Seit Deinem Weggang von Stuttgart arbeitest Du für verschiedene Compagnien. Wie hat sich Deine choreografische Handschrift unter diesen veränderten Rahmenbedingungen entwickelt?

Douglas Lee: Beim Stuttgarter Ballett lebte ich den Balanceakt, beides zu machen: Ich tanzte und einmal im Jahr schuf ich ein Stück. Weil es nur eines war und ich mich sehr darauf gefreut hatte, habe ich, wenn ich heute zurückdenke, alles in dieses eine Ballett gepackt, was ich machen wollte. Ich habe also viel nur über dieses Stück nachgedacht und mir einen Kopf gemacht über die Musik, die Kostüme und so weiter. Ich genieße, dass sich das sehr verändert hat, und ich sehe, wie sich meine Arbeit vor dem Hintergrund entwickelt hat, dass ich mit verschiedenen, auch sehr zeitgenössisch geprägten Compagnien arbeiten durfte. Deren Physikalität ist eine andere als der einer eher klassisch geprägten Compagnie. Ich erhielt dadurch neue Möglichkeiten, Dinge auszuprobieren.

Wie würdest du Deine künstlerisch-ästhetischen Ambitionen beschreiben? Deine Arbeit wirkt oft sehr skulptural.

Douglas Lee: Ja, in diesem Punkt stimme ich Dir absolut zu. Ich sehe das skulpturale Moment auch in meiner Arbeit. Mich treibt insofern weniger ein narratives oder emotionales Interesse am körperlichen Ausdruck als vielmehr ein physikalisches an. Manchmal geht es mir in der Tat um Form und Figur und vielleicht hat das damit zu tun, dass ich selbst ein Tänzer war. „A-Life“ hat thematisch mit dem Grenzbereich zwischen Mensch und Maschine zu tun. Es denkt auch darüber nach, dass der Körper zuweilen nur ein Instrument ist.

Wo möchtest Du den Körper gerne hinbringen? Worin besteht Deine künstlerische Forschung?

Douglas Lee: Ich denke, wenn man, so wie ich, am Körper des Tänzers interessiert ist, tendiert man dazu, neue Dinge im Studio zu entdecken. Und Tänzer können sich in einer Weise bewegen, wie das ein normaler Mensch nicht kann. Das finde ich immer noch großartig. Welche Teile des Körpers lassen sich noch wie bewegen, ist eine spannende Frage. Manchmal erreiche ich den Punkt, an dem ich die Tänzer pusche  oder sie darum ringen müssen, etwas zu machen, was vielleicht im ersten Moment nicht geht. Es zeigen sich körperliche Gesten, die das Antlitz des menschlichen Körpers sehr verändern. Das sind sehr erhebende Momente, die auf der Bühne sehr stark sein können.

Was bedeutet der Titel Deines neuen Werkes „A-Life“ für Dich?

Douglas Lee: „A-Life“ ist eine Abkürzung von „Artificial Life“. Ich mag das beschreibende Moment dieses Ausdrucks, aber auch die Widersprüchlichkeit des auch wissenschaftlichen gebrauchten Begriffs: „Artificial“ und „Life“ schließen sich eigentlich gegenseitig aus. Das Oxymoron beschreibt auch die Widersprüchlichkeit des Theaters: Dort findet künstliches Leben statt. Die Bühne, im Grunde eine kleine Box, wird zum Ort von Beziehungen und Emotionen, die vorgetäuscht sind.

Zwischen deinen Arbeiten an verschiedenen Opernhäusern lebst Du in Berlin. Wie gelingt Dir der Wechsel?

Douglas Lee: Ich liebe es, nach einer Produktion nach Berlin zurückzugehen. Ich erzähle dann kurz wie die Premiere war, woran ich merke, dass mir das wichtig zu sein scheint, und gehe aber ziemlich bewusst damit um, dass ich alles, was damit verbunden ist, wieder gehen lasse. Ich bekomme viele Inspirationen in Berlin und lebe, im Gegensatz zum Leben am Theater, freier. Meine Freunde sind sehr an Kunst interessiert, auch wenn sie nicht direkt mit Tanz zu tun haben. Hier geht das Leben einfach weiter. Nach einer Weile genieße ich es, wieder in die Opernwelt abzutauchen. Dort ist alles strukturiert und geregelt.

Kannst Du Dir vorstellen, eines Tages eine Compagnie zu leiten?

Douglas Lee: Ich sage niemals nie, aber es ist nichts, was ich momentan für meine Zukunft plane. Ich bin zur Zeit ziemlich beschäftigt und glücklich mit dem, was ich tue. Und ich habe Respekt vor dem Posten des Direktors: Man benötigt bestimmte Fähigkeiten, um eine Compagnie zu leiten. Man ist nicht nur kreativ, sondern muss sich auch um andere, organisatorische Dinge kümmern. Außerdem müssen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen passen.

Wann könnte die Companie-Leitung für Dich interessant werden?

Douglas Lee: Das schönste Kompliment, das ich erhalten habe, war, dass Tänzer zu mir gekommen sind und gesagt haben: Wenn Du irgendwo mal eine Compagnie hast, dann rufe mich an. In solchen Momenten wäre es doch interessant, über eine eigene Compagnie nachzudenken.

 

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