„Genesis“ von Sidi Larbi Cherkaoui und Yabin Wang

„Genesis“ von Sidi Larbi Cherkaoui und Yabin Wang

Eine magische Schöpfungsgeschichte

Sidi Larbi Cherkaoui und Yabin Wang mit „Genesis“ auf Kampnagel

West und Ost verschmelzen in dem rund 90-minütigen Stück zu einer Einheit, zu einem großen Ganzen, in dem es kein Hier oder Dort, kein Du oder ich, sondern nur ein Wir gibt.

Hamburg, 26/01/2014

Er ist ein gern gesehener Gast in Hamburg und seine Vorstellungen werden regelmäßig vom Publikum umjubelt: der flämisch-marokkanische Choreograf Sidi Larbi Cherkaoui. So auch seine jüngste Kreation, die er gemeinsam mit der chinesischen Tänzerin Yabin Wang erarbeitete und die in Hamburg ihre deutsche Erstaufführung erfuhr: „GENESIS“. Dem Titel sind zwei chinesische Schriftzeichen vorangestellt, die übersetzt „zusammenwachsen“ bedeuten. Und das gelingt hier wahrlich: West und Ost verschmelzen in dem rund 90-minütigen Stück zu einer Einheit, zu einem großen Ganzen, in dem es kein Hier oder Dort, kein Du oder ich, sondern nur ein Wir gibt.

Cherkaoui erzählt hier auf eine sehr eigenwillige Art eine spezielle Schöpfungsgeschichte – sie beginnt in steril-kühl-klinischer Atmosphäre, Menschen in weißen Kitteln, mit Mundschutz und Gummihandschuhen, begegnen sich orientierungslos im Raum, irren zwischen transparenten Glaskuben hin und her wie in einem Labyrinth. Die „Geburt“ erfolgt aus einer Leiche heraus, die im weißen Plastiksack wie in einen Seziersaal auf die Bühne gefahren wird. Ein Mann schält sie aus der Hülle und lässt sie wie eine willenlose Puppe mit schlackernden Gliedern auf dem Tisch in die Höhe fahren und schlaff wieder aufdotzen (bewundernswert, wie Kazutomi Kozuki diesen Wechsel zwischen absoluter Spannungslosigkeit und größtmöglicher Anspannung schafft). In einem ständigen Wechsel aus Soli, Pas de Deux und Ensembles webt Cherkaoui zusammen mit Yabin Wang eine Collage über Werden, Sein und Vergehen, inklusive eine kurze Bibellesung auf Englisch über die Vertreibung aus dem Paradies.

Seine unverwechselbare Bewegungssprache mit den weichen, schlangenhaften Bewegungskurven, den spielerischen Händen, den raschen Arm- und Beinwechseln wird nie langweilig, nie eintönig, sondern überrascht immer wieder aufs Neue. Großartig, wie sich die Hände der sieben Tänzerinnen und Tänzer ornamental auffächern, zusammenfügen und auseinanderspreizen. Magisch das Spiel mit den Glaskugeln. Berührend der Schluss, wenn sechs der Tänzer mit verdrehten Gliedern in den Glaskuben erstarren und nur einer von ihnen – wiederum Kazutomi Kozuki – übrig bleibt und mit seinem Zeigefinger die einzig liegen gebliebene Glaskugel im letzten Scheinwerferlicht berührt.

Die sieben Tänzer – Yabin Wang, Qing Wang, Fang Yin, Chao Li, Elias Lazaridis, Johnny Lloyd, Kazutomi Kozuki – finden sich großartig in Cherkaouis Stil, wunderbar biegsam allesamt, große Persönlichkeiten jede/r einzelne und doch ein Ganzes.

Kongenial die Musik der jungen polnischen Komponistin Olga Wojciechowska (vom Band) und die Live-Musik der grandiosen Musiker Barbara Drazkowksa (ebenfalls aus Polen) am Flügel, Manjunath B. Chandramouli (Indien, Percussion) und Kasmy N’dia (Kongo, Gitarre und Gesang), zu denen sich zeitweise auch Johnny Lloyd und Kazutomi Kozuki hinzugesellen. Großer Jubel mit Standing Ovations in der K6.
 

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