„Die Vier Jahreszeiten“ von Stefano Giannetti. Tanz: Chris Kobusch, Salvatore Nicolosi und Michal Dousa

„Die Vier Jahreszeiten“ von Stefano Giannetti. Tanz: Chris Kobusch, Salvatore Nicolosi und Michal Dousa

Addicted to Balanchine

Stefano Giannetti choreografiert „Die Vier Jahreszeiten“ am Pfalztheater Kaiserslautern

Giannetti lebt seine Liebe zu Balanchine in Duetten und Trios voll aus, garniert hier mit ein paar Commedia dell'arte-Gesten seines Puck, den er als personifizierte Verführungskraft des Tangos einsetzt.

Kaiserslautern, 20/01/2014

„Eight Seasons” nennt Gidon Kremer seinen Jahreszeiten-Dialog zwischen Vivaldi und Piazzolla. Stefano Giannetti nimmt die Idee auf, nutzt die musikalische Grundlage als Leitfaden für seine Choreografie „Die Vier Jahreszeiten“ und macht daraus einen im besten Sinn dekorativen Ballettabend. Neoklassisch und ganz im Sinne der Ästhetik von George Balanchine lässt der Choreograf sein zehnköpfiges Ensemble sehr gut aussehen.

Dazu hat Giannetti ein leicht erhöhtes Podium gewählt, das an drei Seiten von einem schmalen, mit Wasser gefüllten Kasten gerahmt ist. Mittig schmückt die Silhouette eines Baumes die Bühne, als zentrale Metapher des Lebens, ist seine Krone mal üppiger, mal karger belaubt. Dahinter hängt eine, die ganze Bühnenbreite erfassende Leuchtröhre, die analog zur zyklischen Bewegung der Sonne, nach oben wandert, sich nach oben biegend öffnet und sich wieder senkt – alles in Superslowmotion, alles ästhetisch reizvoll.

Des Werdens und Vergehens nicht genug, umspielt auch die Farbsymbolik (sowohl dieses Leuchtbogens als auch die des Bühnenlichts und der Kostüme) das Thema ewiger Metamorphose, von kühlen Pastelltönen über satte Sommer- und Herbstfarben zum eiskristallinen Hellblau im Winter. Dito der Tanz, ein Jüngling in zartgelbem Glanztrikot kauert vor dem Baum, entfaltet sich (vor frühlingsgrüner Leuchtröhre), zuckt paarungsbereit mit der Hüfte und richtet sich zu voller Größe auf. Die anderen Tänzerinnen und Tänzer gesellen sich hinzu, meist zu Fünft – was laut Programmheft die Konstellation Vater, Mutter, drei Kinder suggerieren soll. Auf Vivaldis Frühling folgt Piazzollas Sommer, der übergeht in Vivaldis Sommer und so weiter bis das Stück am Ende mit Piazzollas Frühling ausklingt.

Nicht nur die hohen Beine, die schönen, schlanken Linien, auch die abgeknickten Handgelenke sowie die punktgenaue Übertragung musikalischer Impulse in Bewegung sind in Anlehnung an Balanchine stilistisch gewollt. Giannetti lebt seine Liebe zu Balanchine in Duetten und Trios voll aus, garniert hier mit ein paar Commedia dell'arte-Gesten seines Puck – ein bis auf Cache-Sexe nackter Tänzer (Michal Dousa / Kei Tanaka), den er als personifizierte Verführungskraft des Tangos einsetzt – und lässt dort, am Übergang von Vivaldis Winter in Piazzollas Frühling die Spitzenschuhe ausziehen, um barfüßig durchs Wasser zu waten. All das ist im besten Sinne dekorativ und kann als Einstiegsdroge in die Neoklassik à la Balanchine gewertet werden. Dennoch wünscht man sich etwas mehr Mut zu innovativer Stilistik und eigener choreografischer Handschrift.
 

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