Dokument einer Entwicklung

Eben erschienen: das „Stuttgarter Ballett Annual“ 35/36

Ein sorgsames Kompendium, das beide anspricht, den Ballettomanen wie den Fachmann: als Weihnachtspräsent deshalb auch beiden ausdrücklich empfohlen!

Stuttgart, 22/12/2013

Schwarz eingebunden, volle 200 Seiten dick, gewichtig in Inhalt und Aufmachung: So liegt einem das neue „Stuttgarter Ballett Annual“ auf die Spielzeiten 2011/12 und 2012/13 als Doppelband in der Hand. Die Nummern 35 und 36 verweisen auf eine Tradition seit 1978, versprechen allen Fans und Neuenthusiasten einer der besten Kompanien nicht nur in Deutschland reiche Ernte. Gern und selbst als Berliner neidvoll blättert man den Band durch: Welch ein Repertoire tut sich da auf, von all den wunderbaren Tänzern mal ganz abgesehen! In Wort und Bild lassen renommierte Autoren die zwei Jahre Revue passieren und vermitteln auch dem, der nicht regelmäßig Gast der Kompanie ist, einen lebendigen Eindruck davon, was sich in der Nachfolge John Crankos dort ereignet. Zu Recht äußert sich Ballettintendant Reid Anderson im einleitenden Interview stolz auf das Erreichte. Und was ist in jenen beiden Jahren nicht alles passiert! Christian Spuck, lange neben Marco Goecke Hauschoreograf, trat die Nachfolge von Heinz Spoerli an und „entführte“ die Stars Katja Wünsche und William Moore mit nach Zürich. Doch schon konnten mit Elisa Badenes und Daniel Camargo als den neuen Ersten Solisten die Lücken geschlossen werden, drängen weitere Talente nach vorn. In Stuttgarts Luft scheint ein Talent-Gen zu schwirren, und das heißt wohl John Cranko Schule mit dem Standard ihrer Ausbildung – noch immer in den alten Räumlichkeiten, weil der peinliche Streit um einen Neubau weiterschwelt. Ein neuer Hauschoreograf wurde berufen: Nach seinem so erfolgreichen Handlungsballett „Krabat“ hat nun Demis Volpi, der doch eigentlich „nur“ tanzen wollte, diese Funktion inne. Zu feiern gab es im betrachteten Zeitraum: 40 Jahre John Cranko Schule, 50 Jahre Uraufführung von „Romeo und Julia“, umjubelte Gastspiele in Japan, Korea und China 2012, 2013 dann im neuen Bolschoi-Theater Moskau.

Doch es gab auch, wie immer im Leben, Grund zu trauern. Seine Karriere beendete mit Alexander Zaitsev einer der Sympathieträger des Ensembles. Der Tod von Richard Cragun und Horst Koegler traf alle hart: Zwei, die so viel für das oft zitierte „Stuttgarter Ballettwunder“ geleistet haben, verabschiedeten sich zeitlich dicht von der Bühne des Lebens.

All dies würdigt das Annual ausgiebig, zieht Bilanz der zwei Spielzeiten, porträtiert als Neue an der Spitze Hyo-Jung Kang, Alexander Jones, Myriam Simon und Arman Zazyan, konterfeit alle Mitglieder des Ensembles im Passfoto. Und besticht durch seine wundervollen, teils ganzseitigen Fotos, die eine so plastische Impression vom Geschehen auf und hinter der Szene geben, als wäre man dabei gewesen. Wer es ganz genau mag, findet die Daten der Uraufführungen und Wiederaufnahmen, die Veranstaltungen der John Cranko Schule wie die Junge-Choreografen-Foren der Noverre Gesellschaft jeweils in Tabellenform. Ein sorgsames Kompendium, das beide anspricht, den Ballettomanen wie den Fachmann: als Weihnachtspräsent deshalb auch beiden ausdrücklich empfohlen!

Stuttgarter Ballett (Hrg.): „Stuttgarter Ballett Annual“ 35/36, 200 S., zahlreiche Farbfotos, ISBN 978-3-9814688-1-6

 

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