„Z_wischenräume“ von Katrin Kelly. Tanz: Gauge Dance Theatre

„Z_wischenräume“ von Katrin Kelly. Tanz: Gauge Dance Theatre 

Der Wald blutet aus

Katrin Kelly feiert mit dem Gauge Dance Theatre in „Z_wischenräume“ Premiere im Theaterforum Berlin-Kreuzberg

„Z_wischenräume“ ist ein einstündiger, verhalten nachdenklicher Tanzabend mit assoziativen Szenen über die Angst, die Weiblichkeit und die Beziehungen zwischen Frau und Natur.

Berlin, 02/12/2013

„Was passiert in den Zwischenräumen unseres Lebens? Wenn die Worte nicht mehr zu den Inhalten passen wollen und uns wie Steine aus dem Mund fallen; wenn die Strukturen, die wir als stabil angesehen haben, plötzlich bröckeln und wir den Halt verlieren“, fragt Choreografin Katrin Kelly in ihrer Neuproduktion mit dem Gauge Dance Theatre. Im intimen Theaterforum Kreuzberg hallen unaufhörlich Holzfällergeräusche durch den Theaterraum. Bäume werden angesägt und fallen krachend. Zuschauer nehmen Platz und schauen auf die Silhouetten von drei Frauen. Sie stehen schattenhaft umringt von riesigen kahlen nach unten hängenden Ästen. Die Frauen verdecken ihre Gesichter, winden sich in hellen Hängekleidern. Die Geräuschkulisse wird von einem sanft an- und abschwellenden Streicherteppich überlagert. Dumpfe Schläge, in die sich unerwartet fallende Wassertropfen aus dem Astwerk mischen. Das stete Tropfen gibt dem Tanzstück sein beredtes Zeitmaß. Bühnenbild und Licht zentrieren die Aufmerksamkeit.

„Z_wischenräume“ spiegelt die Sehnsucht nach neuer Erfahrung, einem Raum, der den Menschen nicht stranguliert, sondern öffnet, befreit. Katrin Kellys Konzept zielt auf menschliche Übergangsprozesse, die assoziativ in Choreografie und Inszenierung erfahrbar werden sollen. Doch Reibungsflächen fehlen weitgehend. Die Abwesenheit von Widersprüchen bzw. widersprüchlichem Tun mündet nicht immer in decodierbare und sinnstiftende Aktionen. Die Umschwünge im Verhalten wirken in den Körperhaltungen noch zu gebremst, dynamische Steigerungen würden die Radikalität einzelner Szenen stärken. Die eruptive Dynamik und Kraft kann im Zusammenspiel der Interpretinnen noch gestärkt werden.

Ein Tanzstück über die eigene Schuld und das Schuldig-Werden. Aus Voice-over-Sequenzen kristallisieren sich Worte heraus. Drei Frauen zu Beginn in meditativer Isoliertheit, mit zum Gebet fast gestreckten Armen. Flehende. Drei Frauen im Zwielicht des sterbenden Waldes am Boden wie festgenagelt. Gefallene. Wasser tropft. Viele Male zwingt sich Annekatrin Kiesel aus dem Aufrichten in ein ekstatisches Rückwärtsfallen. Mit großen Armschwüngen schiebt sie sich im Staub über den Boden, stopft sich Erde in den Mund. Leben wollen in einem fast toten Raum. Tropfen fallen. Sie lässt Erde über die anderen Frauen fallen; die eine genießt es, die andere verweigert sich. Dann repetiert das Trio gemeinsam zeitlich versetzt Bewegungssequenzen mit schwingenden Armen und gebeugten Oberkörpern, wobei sie Erde über Gesicht und Arme schmieren. Auf allen Vieren kriechen sie über den Boden, immer schneller, animalisch. Bedeutungsvoll, doch leider ohne erkennbaren Grund zieht Sarah Vella tiefgebeugt mit großem Schritt diagonal eine große weiße Folie hinter sich her.

Wenn die drei Frauen Gesicht zu Gesicht zusammen stehen, löst die Folienzieherin ihre verknoteten Haare, zieht ihr cremefarbenes Hängerkleid aus und steht nun im roten Unterkleid da. Ganz Frau, frei oder schuldbeladen? Nichts ist eindeutig im dramaturgischen Ablauf, zu vieles bleibt rätselhaft ohne erkennbare szenische Brüche. Einzig der sinnliche Bühnenraum von Silvain Fayne ist als harter Kontrapunkt bildkräftiger Mitspieler. Blutrotes Wasser tropft aus den Ästen. Absterbender Wald. Sinja Maucher ertastet hochsensibel mit jedem ihrer Zehen den Boden, berührt Zweige, lässt Tropfen auf ihre Haut rieseln. Ihr Körper hechtet in sich steigernder physischer Verausgabung in diesen Raum versiegenden Lebens. Sie hockt wie geschlagen am Boden und starrt ins Leere. Dumpfes Pulsen mündet in Dunkelheit.

Die Zuschauer zeigten sich von diesem offenen Ende irritiert. In dem an die Uraufführung anschließenden Publikumsgespräch (sicher ein Novum, das positiv angenommen wurde) wurde freimütig nach den Beweg-Gründen gefragt. Der einstündige, verhalten nachdenkliche Tanzabend offeriert assoziative Szenen über die Angst, die Weiblichkeit und die Beziehungen zwischen Frau und Natur. Für mich war er ein Totentanz, symbolisch aufgeladen mit Episoden einer Suche nach Leben. Ein Anfang. Weitergehende Recherche erwünscht.
 

Kommentare

Noch keine Beiträge