„Loops and Lines“ von Stephan Thoss

„Loops and Lines“ von Stephan Thoss

„Loops and Lines“ im Wiesbadener Staatstheater

Das Laban-Tanz-Projekt von Stephan Thoss mit dem Ensemble Modern

Thoss will in „Loops and Lines“ zeigen, wie „Labans Theorien ihren Weg in die Gegenwart des Tanzes gefunden und an Expressivität, Dynamik und Lebendigkeit gewonnen haben“.

Wiesbaden, 28/10/2013

„Loops and Lines“ nennt Stephan Toss sein „Laban-Tanz-Projekt“, das von der Bundesstiftung „Tanz Erbe“ ausgewählt und gefördert wurde. Als von außerhalb kommende Besucherin nimmt man den Eindruck mit, dass hier ein Choreograf in seiner letzten Spielzeit dem Publikum noch einmal klar machen will, woher seine Tanzsprache kommt. Doch wirklich gelingen will ihm das nicht, wie die unterschiedlichen Reaktionen im Publikum bei der samstäglichen Uraufführung zeigten.

Thoss ist seit 2007 in Wiesbaden, hat auch hier wie an seinen vorherigen Ballettdirektorenstellen in Kiel (ab 1998) und Hannover (ab 2001) mit Neuinterpretationen großer Handlungsballette geglänzt. Mit diesem Abend in Wiesbaden wagte er etwas anderes, weg vom Erzählen einer Geschichte, hin zum Eigentlichen des Tanzes: zu den Bewegungen der Körper.

Es ist wohl auch ein Stück Aufarbeiten des eigenen Herkommens, die ausführliche Behandlung im Programmheft legt diesen Schluss nahe. Stephan Toss hat sieben Jahre an der Palucca-Schule in Dresden gelernt, sein prägender Lehrer war Patricio Bunster, einstiger Solist bei Kurt Jooss (Folkwang-Schule Essen) und Leiter des chilenischen Nationalballetts. Alle führen ihre Tradition auf Rudolf von Laban (1879-1958) zurück, den Tanzforscher und –pädagogen. Seine theoretischen Überlegungen zu Impulsen und Einflussfaktoren des Tanzes sind im Programmheft dargelegt mit Foto, Text, Grafiken und Zeichnungen. Beim Anschauen des Bühnenstücks hilft das wenig.

Da hier in Wiesbaden auf die männliche Traditionslinie verwiesen wird, sei darauf verwiesen, dass der so genannte deutsche Ausdruckstanz in Amerika (Exil durch nationalsozialistische Vertreibung) in der Praxis vor allem durch Frauen weitergegeben wurde: Mary Wigman etwa, später in Deutschland durch Gret Palucca institutionalisiert und von Pina Bausch (aus der Folkwang Schule) weiter entwickelt wurde. Immer geht es dabei um den Zusammenhang zwischen innerer Motivation und äußerem Körpergeschehen, wie es im Laban-Centre London heute noch gelehrt wird.

Erklärtermaßen will Thoss in „Loops and Lines“ zeigen, wie „Labans Theorien ihren Weg in die Gegenwart des Tanzes gefunden und an Expressivität, Dynamik und Lebendigkeit gewonnen haben“. Das wäre ein prima Motto gewesen für eine kleine Bühne, aber nicht für die große Bühne des Wiesbadener Staatstheaters. Weder das karge Bühnenbild noch die Verortung der Musiker auf der Bühne können den Eindruck der diffundierenden Beliebigkeit verhindern. Mal ganz abgesehen davon, dass die Bühnen- und Zuschauersitzhöhe in dem historischen Theatergebäude nicht auf niedrige Bewegungungen in Bodennähe ausgerichtet ist.

Der eigentliche Star des Abends ist sowieso die Musik, dargeboten durch das konzentriert aufspielende Ensemble Modern aus Frankfurt. Dieses konnte dank einer weiteren Finanzspritze – durch den Kulturfonds Frankfurt Rhein-Main – dazu geholt werden. Zu Beginn steht mit „China Gates“ ein kurzes Klavierstück von John Adams, worauf das längere „Shaker Loops“ (1978) für sieben Streicher folgt, die alle quer über die Bühne aufgestellt sind. Nach der Pause bieten fünf Bläser eine witzige Improvisation vor dem Bühnenvorhang, bevor dieser sich hebt und den Blick auf den kahlen Bühnenraum freigibt. Die Musiker sitzen jetzt auf der Oberbühne und spielen Steve Reichs „Eight Lines“ (1979). Die Auswahl der Musikstücke wird nicht erklärt, sie scheint vor allem dem Theoriegebäude Labans geschuldet zu sein: Gates – Loops – Bridges – Lines, also: Tore, Bögen, Brücken und Linien, die mit verschiedenen Bewegungsqualitäten korrelieren. Eine Durchdringung von Musik und Tanz, also eine wirkliche Choreografie ist allerdings nicht daraus geworden.
 

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