„Der schwarze Garten“ von Hans Henning Paar

„Der schwarze Garten“ von Hans Henning Paar

Hans Henning Paar: „Der schwarze Garten“

Traumbilder zwischen Panik und Poesie

Hans Henning Paar schöpft aus dem reichen Fundus seiner Erfahrungen und mischt gekonnt klassische und zeitgenössische Techniken, Sport und Kunst, Alltag und Auszeit, lotet Ausnahmezustände wie Träume vielschichtig und subtil aus.

Münster, 26/10/2013

Hans Henning Paar schafft in seiner neuen Choreografie „Der schwarze Garten“ zu Traumerinnerungen seiner Tänzer in der surrealen Installation von Bühnenbildnerin Isabel Kork mit zwei rollenden Rundwänden und haushohen Pflanzen makabre und poetische Stimmungen. Er lässt dabei der Fantasie der Zuschauer viel Raum. Das Münstersche Premierenpublikum applaudierte mit stehenden Ovationen.

Traumsprache sei Bildsprache, beobachtet Paar. Das komme dem Tanz entgegen. Die Bühne als Dreambox... Düster sind die Traumbilder, die der Choreograf nach dem Gedicht des Spaniers Manuel Machado auf die kleine Bühne des Münsterschen Stadttheaters bringt - alptraumartig manche, voller Poesie und Sinnlichkeit andere. Gestalten geistern und spuken durch den Raum. Dann wieder formulieren Körper erotische oder sehnsuchtsvolle Fantasien. Leise flüstert eine männliche Stimme Gedichtzeilen - vom unermesslichen Schweigen der Nacht, wenn der Klang entschlafen und die Farbe verstorben ist, der Mond und die Statue sich lechzend küssen...
13 Miniaturen reihen sich zu dem 80-minütigen Nachtstück an einander. Im Entrée auf eine Klaviersonate des tschechischen Komponisten Luboš Fišer (aus dem Lautsprecher) tasten sich die Tänzerinnen und Tänzer zwischen den Zuschauertribünen hindurch in den Garten, der im Halbdunkel liegt: unrealistisch mächtige schwarze Blüten, Blätter und Gräser auf gebogenen Stengeln schimmern durch den Gazevorhang. Schwarz gekleidet (ebenfalls von Isabel Kork) sind auch alle nächtlichen Besucher: in Abendgarderobe oder Glitzer- und Rüschenfummel, als kämen sie von einer Party, die einen - im streng neutralen Hosenanzug andere. Eine Ballerina im steif abstehenden Tellertutu (Ako Nakanome) tanzt anmutig den kleinen Walzer inmitten scheinbar aufgezogener Tanzpuppen. Später wird nochmals ein Stück der bizarren Musik des Tschechen zu hören sein - wenn „Der Nachtmahr“ (der hervorragende Cornelius Mickel mit verkrampfter Egon-Schiele-Gestik) sich auf sein zartes Opfer (Sandra Guénin) stürzt und es tötet, während eine kleine Hexe (Maria Bayarri Pérez) das Paar umschleicht.

An der Rampe entlang schreitet schon während der ersten Ensembleszene lautlos die schöne Pianistin Elda Laro zum Flügel, um dann Rachmaninow-Barkarolen, -Fantasien, -Elegien, -Tänze und -Präludien mit großem Effekt aus den Tasten perlen zu lassen. Romantik pur für die Ohren - ein buntes Kaleidoskop von Bewegungsbildern für die Augen. Die immer wieder als besonders ausdrucksvoll und geschmeidig auffallenden Tänzer Tommaso Balbo und Marcelo Moraes huschen als „Nachtfalter“ durch den Garten. Eine mysteriöse Fee mimt dazwischen Sandra Guénin, die wenig später aus einem Fenster hoch über der Spielfläche eine kafkaeske Szene beobachtet: ein Rieseninsekt (Cornelius Mickel) schleicht sich heran. Halb Gottesanbeterin, halb Spinne, bemächtigt das schwarze Ungeheuer sich der arglosen Kreaturen und bohrt den tödlichen Stachel in ihre Leiber. In einen finsteren Buckeligen mit hohem Zylinder und Krückstock verwandelt, trollt sich der Mörder.

Drei ungleiche Paare tanzen ahnungslos einen Totentanz in „Berührungen“. Maria Bayarri Pérez durchlebt „Fliegen und Fallen“ mit akrobatischer Verve. Ein echter Alptraum dagegen ist Adam Dembczyńskis Solo „Ich komme nicht an“. Immer wieder rennt er nach vorn, streckt die Hände dem vermeintlichen Retter entgegen, wird aber wieder und wieder zurückgezogen in die Finsternis hinter den Nebelschwaden. „Würmer“ winden sich (Kana Mabuchi, Tommaso Balbo). „Herr und Frau Tod“ (Vladimir de Freitas Rosa, Ako Nakanome) in grauen Sweatshirts wagen ungerührt ein Tänzchen hinter hohläugigen Masken. Nackt bespiegelt seinen schönen, muskulösen Körper der „Narziss“ (brillant: Marcelo Moraes). Mit „Schreck“ und „Chaos“ als eindrückliche Ensembleszenen endet die Nacht. Wie gelähmt, mit weit aufgerissenen Augen und lautlosem Schrei in der Kehle erwacht der Mensch...

Hans Henning Paar schöpft aus dem reichen Fundus seiner Erfahrungen und mischt gekonnt klassische und zeitgenössische Techniken, Sport und Kunst, Alltag und Auszeit, lotet Ausnahmezustände wie Träume vielschichtig und subtil aus.
 

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