Tanz in Bern
Tanz in Bern

Schöne Menschen, all worked out and nowhere to go

Ein Zuschauer-Blog zu „Stages of Staging“ von Alexandra Bachzetis

Eindrücke junger Zuschauer zur Vorstellung bei Tanz in Bern

Bern, 25/10/2013

Das Festival „Tanz in. Bern“ in der Dampfzentrale Bern zeigt während zwei Wochen nationales und internationales zeitgenössisches Tanzschaffen. Die Festivalausgabe 2013 besinnt sich auch Qualitäten des Tanzes - auf seine Poesie, sein handwerkliches Geschick, seine formale Vielfalt und nicht zuletzt auf bewegende Körper bewegter Menschen.
Begleitend zum Festival schreiben Studierende der Hochschule der Künste Bern über die Aufführungen. Unter der Leitung der Dozentin Maren Rieger schärfen die Studierenden des Fachbereiches Theater ihre Wahrnehmung und beschreiben für sie besondere Momente auf und neben der Bühne: frech und subjektiv.


„Stages of Staging“ wirft einen kritischen Blick auf unsere Lebensweise. Die Inszenierung, soweit anhand der Aufführung am 22.Oktober 2013 in der Dampfzentrale zu beurteilen, kreiert interessante, wie poetische Bilder die ein Abbild unserer rastlosen Leistungsgesellschaft, einem zwanghaften Schönheitsideal und einer Sehnsucht nach Wahrhaftigkeit aufblitzen lassen, versäumt es aber über diese Bilder in die Tiefe des menschlichen Seins vorzudringen, in das emotionsgeladene Chaos von Ängsten und Sehnsüchten, die seine Verhaltensweise, dieses Verhaltenskorsett möglicherweise begründen.
Frederik


„The Stages of Staging“ vereint die Sehnsüchte und Wünsche der Menschen auf interessante Weise. Da wird der Körper gestählt und gedehnt, um nachher für das Leben fit zu sein. Man tanzt, manchmal viel zu lang, fällt, steht wieder auf, versucht alle Arten des Fallens zu erforschen, steht wieder auf. Man singt, übt, wiederholt, liebt sich, will alles, kriegt nichts, und nimmt es sich doch. Die Sehnsüchte, die uns am Leben erhalten.
Max


Hier möchte ich den Moment bemerken, in dem einer der Darsteller etwas sagt, dass klingt wie: „Go, now yellow blue yellow.“ Es entsteht ein kurzer Moment der extremen Wachheit, eine Tänzerin murmelt die Anweisung nochmals und sie wiederholen die vorherige Choreographie, aber mit einer anderen Ausrichtung. Ich erkenne, dass die genannten Farben mit den Markierungen am Boden zu tun haben. Dadurch enthält der Moment einen besonderen Live-Charakter und eine wache Gruppenenergie. Ich frage mich sofort, was die genauen Abmachungen der Gruppe sind. Welche Elemente stehen haargenau fest? Ist die Reihenfolge jedes Mal dieselbe, oder was sind die Möglichkeiten der einzelnen Tänzer, die Struktur zu verändern?
Sue


Es gibt keine Pause für die zehn Performer, auch nicht kurz vor Schluss, nachdem sie bereits fast ohne Unterlass ihre Körper bewegt haben. Jede/r PerformerIn hat einen eigen Platz auf dieser großen Bühne und bewegt sich exzessiv, frontal zum Publikum. Wir sehen zehn ekstatische Bewegungssoli und es hört und hört nicht auf. Am Anfang bin ich verblüfft über die Vehemenz mit der „getanzt“ wird. Dann ist es nur noch komisch und schließlich unerträglich bis ich mich vor Lachen fast nicht mehr halten kann bis... Minute um Minute vergeht, Titel um Titel er- und verklingt, auch in einer kurzen Musikstille wird weiterbewegt, Körperstudie betrieben. Wie weit kann Mensch gehen, wie belastbar ist ein Körper? Diese Fragen kommen in mir auf und dem Bezug zur Leistungsgesellschaft, in der wir leben, kann ich mich nicht erwehren. Dann hört die Musik auf und die Performer auch. Sie stellen dem Publikum ihre Erschöpfung zur Verfügung, atmen laut und wischen sich den Schweiß. Aber noch ist nicht Schluss...
Lisa


Für mich auffällig war, dass die einzige Sprache, die benutzt wurde, sich auf Zwischenrufe, welche einen Wechsel der Choreographie signalisierte, und Lieder, die gesungen wurden, wenn etwas über Kamera auf eine Turnmatte projiziert wurde) begrenzte. Für mich persönlich kam es durch die geringe Nutzung von Sprache zu einer erhöhten Erwartungshaltung. Ich war dadurch sehr fixiert auf das körperliche Handeln auf der Bühne und habe dem gesprochenen Wort mehr Aufmerksamkeit geschenkt.
Lea


Zuerst an dem Parcours-System interessiert, in welches sich die TänzerInnen körperlich und mental hineinbegeben, drängen sich allmählich Erwartungen und Erwartungserwartungen in den Vordergrund des Abends. Eine allmähliche körperliche Verausgabung wird wahrnehmbar und ab jenem Zeitpunkt kontinuierlich gesteigert. Die Wiederholbarkeit von Bewegungen, die bei jedem Tänzer individuell sind, steht unter der Beobachtung des Zuschauers. Jene Wiederholungen, die Steigerung der Verausgabung und der Beat des „Gymnastikstudio“ scheinen nicht aufhören zu wollen. Ich warte auf den Bruch, ich warte auf die Auflösung des ganzen Settings. ... Und ich warte immer noch!
Johanna


Schöne Menschen, all worked out and nowhere to go. Ein Hauch von Amerika liegt in der Luft. Tatendrang kommt auf. Bei Alexandra Bachzetsis herrscht trotz kühler Turnhallenästhetik Vogue und Poesie.
Ach ja, jetzt weiß ich’s wieder.
Cecilia


Eine Turnhalle ist ein Ort, an dem die Schuhe quietschen, und auf die
Matten kann man fallen und man verletzt sich nicht, aber es hallt, wenn
die Matten selbst auf den Boden knallen. Man kann auch Boxen und
Krafttraining machen oder tanzen und Rennen. Was man nicht kann, ist,
sich an den Rand setzen und zugucken. Weil eine Turnhalle ja nicht dazu
da ist sich hinzusetzen, sondern um darin zu turnen.
Simon


Arbeitende Menschen in einer Turnhalle. Stoßatmung, Schweiß, ringende Männer, Körper, die wie tot auf den Matten liegen bleiben. Es kann kein Zufall sein: Googelt man „krasser körper krieg“ ist der Wikipedia Artikel zu Gymnastik das zweite Ergebnis. Die Informationskrake irrt sich nicht, glücklich sehen die TänzerInnen nicht aus. Doch die repetitiven Sportübungen zerfransen, die Körper werden kreativ. Zwar können sie den Wahnsinn des Wettkampfs nicht abschütteln, aber vielleicht ist Tanz eine Überlebensstrategie.
Valentin


Diese Aufführung lebt von der Wirkung der unterschiedlichen Körper und Bewegungsmuster der Darsteller. Der Inhalt wirkt simpel und ist schnell gesagt. Man liest Einsamkeit, Sehnsucht nach Liebe und Körperkontakt und eine sich nach außen richtende, schematisch geübte Körpersprache individueller Einzelkämpfer. Bemerkenswert ist, dass die Aufführung mehr erzählt, als gesagt werden kann. Der Zuschauer wird Beobachter von verschiedenen Energien im Raum und sich verändernden Körpern. Er erlebt sich auspowernde Darsteller und kann spätestens in der zweiten Hälfte der Aufführung der Kommunikation der Körper nicht entkommen, indem durch aufputschende Musik und unaufhaltsames Tanzen der Performer, welches an Disco oder Fitnesstraining erinnert, zumindest der kleine Zeh zu zucken beginnt.
Nina
 

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