Es bleibt dabei, die Kompanie ist Spitze

Das Semperoper Ballett beendet die Saison mit einer Gala

Spitzentänzer lassen dramaturgische Klippen vergessen.

Dresden, 11/07/2013

Der Abend beginnt mit einer Kostbarkeit. „Pas de Cinq“ aus dem Ballett „Giselle“ von 1841, eine Einfügung, 1850 für die Startänzerin Carlotta Grisi in der Dresdner „Giselle“ von David Dawson, die ab April nächsten Jahres endlich wieder zu sehen sein wird, als Tanz einer Hochzeitsgesellschaft choreografiert. Für die Gala hat Dawson eine exzellente Fassung mit dem Titel „5“ kreiert, die gut für sich stehen kann, zumal wenn sie so hinreißend charmant getanzt wird wie von den Mitgliedern der Dresdner Kompanie Sarah Hay, Anna Merkulova, Arika Togawa, Michael Tucker und Jón Vallejo.

Erinnerungen an Höhepunkte der letzten Jahre im Zeichen der eleganten Neoklassik von George Balanchine gibt es mit Pas de deux aus „Diamanten“ (Svetlana Gileva und Milán Madar) und „Coppélia“ mit Yuki Ogasawara und Denis Veginy. Als unbekannte Schönheit erweist sich Aaron S. Watkins Einstudierung „El Talisman“ von Riccardo Drigo im klassischen Maß des Meisters Marius Petipa, getanzt von Gina Scott und István Simon. Mit Bravour, Charme und technischem Können setzen Elena Vostrotina und Dmitry Semionov im Grand Pas de deux aus „Don Quixote“ einen Höhepunkt des Abends. Bis dahin haben auch die Mitglieder der Sächsischen Staatskapelle unter der Leitung von David Coleman ihren Dienst abgeleistet und verlassen, kaum dass der letzte Ton verklungen ist, den Graben. Das bringt Unruhe, wirkt nicht gerade sensibel, denn der letzte Beitrag des ersten Teils, ein nicht gerade glücklich gewählter kurzer Ausschnitt aus „Bella Figura“ von Jiří Kylián, ist vorbei, bevor sich die nötige Konzentration für Raquél Martínez, Jenny Schäferhoff, Julis Weiss, Duosi Zhu, Claudio Cangialosi, Francesco Pio Ricci, Michael Tucker und Fabien Voranger im Theater wieder einstellt.

Weitere dramaturgische Fragwürdigkeiten dann im zweiten Teil. Ausschnitte aus „Sie war schwarz“ von Mats Ek, mit Daniel Chait als Spitzenschuhmann, und „Spazio - Tempo“ von Jacopo Godani präsentieren zwar die hohe Qualität der Mitglieder des Semperoper Ballett, aber bleiben in ihrer Wirkung doch etwas zufällig.

Grandios dann im Balkon Pas de deux aus Prokofjews „Romeo und Julia“ auf der großen, leere Bühne Julia Weiss und Jiří Bubeníček in der Dresdner Choreografie von Stijn Celis. Dresdens ehemaliger Hauschoreograf David Dawson präsentiert eine Uraufführung, „Opus 11“ für Courtney Richardson und Raphaël Coumes-Marquet zu Musik von Greg Haines. Tänzerisch ein Augenfest, akustisch eintönig, choreografisch weniger inspiriert als man bei Dawson erwarten könnte.

Ein Klassiker der Moderne ist William Forsythes Pas de deux „Herman Schmerman“ von 1992. Ein netter Titel, der ebenso wie das Ballett nach Aussage Forsythes nichts meine. 2001 erstmals in Dresden, getanzt von den ersten Solisten des Staatsballett Stuttgart Sue Jin Kang und Robert Tewsley. Jetzt mit Polina Semionova und Frederico Spallitta. Er als Gast vom Staatsballett Berlin, sie als Weltstar und ständiger Gast in Dresden, demnächst aber auch wieder in Berlin. Kräftig, dynamisch, humorvoll begeistert in solcher Interpretation Forsythes sportive Neoklassik des totalen Tanzes für zwei Menschen in kurzen gelben Röckchen.

Zum Finale ein Unterhaltungskracher mit Tiefgang, Ohad Naharins „Echad Mi Yodea“ von 1990, erste Arbeit für die Batsheva Dance Company als künstlerischer Leiter, seitdem sind die artistischen La-Ola-Wellen der Tänzerinnen und Tänzer auf, an und neben ihren Stühlen zum Markenzeichen für Naharin und die Company geworden. Es lohnt aber genauer hinzusehen. Massenwahn und Wiederholungszwang haben System, einer bleibt draußen, alle machen sich nackt und ein Berg aus Kleidern und Schuhen in der Mitte bleibt bei verzweifelt wilden Tänzen zu hebräischen Gesängen nicht ohne Assoziationen. Mehr von Naharin dann wieder in der neuen Saison, auch der Erfolgsabend „Bella Figura“ kommt Anfang 2014 wieder ins Repertoire.

Jetzt, nach so temperamentvollem Finale, sind die dramaturgischen Klippen des Abends vergessen, es zählt der Gesamteindruck: Diese Kompanie ist Spitze. Letzte Meldung: Anlässlich des 150 Geburtstages des Dresdner Hausgottes Richard Strauss im Juni nächsten Jahres, widmet das Semperoper Ballett dem Komponisten einen Ballettabend. Stijn Celis bringt eine neue Sicht auf „Josephs Legenden“ und erstmals konnte Alexei Ratmansky für eine Choreografie in Dresden verpflichtet werden. Er kreiert für das Semperoper Ballett ein Stück zum Divertimento Op. 86.
 

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