„Woyzeck“ von Sadari Movement Laboratory 

„Woyzeck“ von Sadari Movement Laboratory 

Büchner International – Theaterfestival in Gießen

Sadari Movement Laboratory zeigte einen poetischen „Woyzeck“

Ausgerechnet einer koreanische Performancegruppe gelingt es, sich Büchners Original auf ästhetisch ansprechende und inhaltlich klare Weise anzunähern. Die preisgekrönte Aufführung wurde nun nach Gießen eingeladen.

Gießen, 29/06/2013

In diesem Jahr ist der 200. Geburtstag von Georg Büchner zu feiern. Das Land Hessen würdigt seinen berühmten Sohn mit zentralen Veranstaltungen: ein internationales Theaterfestival in seiner Studienstadt Gießen sowie eine Ausstellung in Darmstadt, der Heimat seiner Familie (ab 12. Oktober). Dazu kommen viele große und kleine Veranstaltungen über das ganze Jahr und ganze Bundesland verteilt. Beim derzeit laufenden Theaterfestival in Gießen gab es am Donnerstagabend (27. Juni) auch ein Tanztheater-Stück zu sehen, das erstaunlicherweise aus Südkorea kommt.

Das Sadari Movement Laboratory (SAL) aus Seoul hat sich das bekannteste Büchner-Stück vorgenommen, den „Woyzeck“. Es war die ästhetisch schönste und inhaltlich treffendste Version, die bisher in Gießen zu sehen war. Dieser „Woyzeck“ war von keiner tages- oder landespolitischen Thematik überlagert. Woyzeck wird gezeigt als ein Mensch, der immer am Rande der Gesellschaft steht. Einer von denen, die nicht dazu gehören, die aus Verzweiflung überreagieren, wenn das bisschen Zuwendung, das sie gefunden haben, verloren zu gehen scheint.

Die Gruppe aus Seoul wurde 1998 gegründet. Ihr Ziel war, eine neue poetische Bühnensprache zu kreieren. SAL achtet darauf, Schauspiel und Tanz, Musik und Licht, also alle Bühnenelemente gleichwertig zu behandeln. Ganz im Sinne der Bauhaus-Idee, von der Regisseur Do-Wan Im durch seinen Lehrer Jacques Lecoq stark beeinflusst ist. Und da Georg Büchner, vor allem sein Drama „Woyzeck“, an allen Schauspielschulen Süd-Koreas zum Pflichtprogramm gehört, ist das Stück dort auch sehr präsent.

Seine Woyzeck-Version schuf das SML schon 2005, zwei Jahre später wurde das Stück auf dem Edinburgh Festival Fringe gleich mit zwei Preisen bedacht. Das Gießener Publikum am Donnerstagabend hätte ihnen sicher einen weiteren verliehen, wie der begeisterte Schlussapplaus zeigte.

SML erzählt die Geschichte ganz ruhig. Die markanten Szenen werden auf den Bildschirmen deutsch gekennzeichnet, die Performer sprechen auch einzelne Worte und Sätze auf Deutsch, ansonsten aber Koreanisch. Was unerheblich ist, denn das Verstehen funktioniert vor allem über das Lautmalerische beim Sprechen. Unterlegt ist das Stück von Astor Piazollas Tango-Musik, einzig das Militär bewegt sich synchron zu Cha-Cha-Cha-Klängen. Regisseur Do-Wan Im mag Tango, wie er im Gespräch sagt. Dass Tango in Argentinien die Musik der armen Leute war, das wurde ihm erst hinterher bewusst. Die Melancholie in den von Bandoneon und Geige getragenen Kompositionen passen jedenfalls wunderbar zum „Woyzeck“. Und das bekannte „Rinascerò“ beim Tod von Marie klingt wie eigens dafür geschaffen.

Die Kostüme sind so schlicht wie das Bühnenbild, einzig Marie tritt auf wie eine feurige Spanierin und der Tambourmajour in wichtiger Pose und Uniformjacke. Das einzige Requisit sind schlichte Stühle, mit denen die zehn Performer staunenswerte Variationen entwickeln. Alle sitzen oder stehen mal auf einem Stuhl, nur Woyzeck nicht. Er balanciert unsicher auf einem Stühleturm oder ist in einem Stühle-Käfig gefangen, wo er als medizinisches Studienobjekt fungiert. Das strukturierende Bühnenelement ist das Licht, das − oft mittels Punktstrahler − sparsam und gezielt eingesetzt, insgesamt wunderschöne Bilder und eine geradezu zauberische Atmosphäre schafft. Ein bisschen absurdes Theater ist dabei, Brecht’sche Verfremdung, komödiantische und tänzerische Momente. Das macht Appetit auf mehr.
 

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