Irrwege auf afrikanisch

„Afridyssey“ von Jessica Nupen im Hamburger Sprechwerk

Jessica Nupen, blond und weißhäutig, geboren in Johannesburg, studierte an der Rambert School of Ballet and Contemporary Dance in London und arbeitet jetzt als freie Tänzerin und Choreografin. „Afridyssey“ ist ihre erste größere Produktion in Hamburg.

Hamburg, 29/06/2013

Das Wortspiel aus „Afrika“ und „Odyssey“ ist natürlich Absicht – in dem Stück der 27-jährigen Südafrikanerin Jessica Nupen, die seit sechs Jahren in Deutschland lebt, geht es um die Irrwege, die Afrikaner gehen müssen, wenn sie Apartheid und Repression entgehen wollen. Wenn sie nach Europa kommen, in eine ganz andere Kultur, in ein Land, wo Fremdenfeindlichkeit und Arroganz dominieren, wenn man es als Schwarzafrikaner erlebt.

Jessica Nupen, blond und weißhäutig, geboren in Johannesburg, studierte an der Rambert School of Ballet and Contemporary Dance in London und arbeitet jetzt als freie Tänzerin und Choreografin. „Afridyssey“ ist ihre erste größere Produktion in Hamburg. Das Anliegen, das sie mit dem Stück verfolgt, ist hoch aktuell und mehr als berechtigt. Es beginnt mitten in Afrika mit der Geburt eines Kriegers, der – warum auch immer – in der Großstadt landet (im Hintergrund über Video-Projektion dargestellt), erst Apartheid und später Unterdrückung erlebt, schließlich auswandert und somit vom Regen in die Traufe kommt.

Nupen schildert das alles anfangs sehr kraftvoll, mit vielen an afrikanische Tänze erinnernden Schritten, bodennah, erdverbunden. Drei Frauen (darunter die in Hamburg erkennbar klassisch ausgebildete und früher beim Ballett Lüneburg engagierte Yarica an der Osten als einzige Weiße neben der Choreografin selbst) und drei Männer, alle erkennbar hochprofessionelle Tänzer, schaffen hier eine dichte Atmosphäre, die auch Raum für Humor lässt (köstlich der Streit zwischen den beiden schwarzen Frauen, die sich gegenseitig angiften und schlecht machen). Danach aber flacht das Stück ab, man versteht den Fortgang der Dinge nicht mehr so richtig. Vor allem aber erschöpft es sich tänzerisch in Wiederholungen – mal allein, mal zu zweit, mal zu sechst oder zu siebt getanzt. Was am Anfang noch als kreative Bewegungssprache fesselt, langweilt nach der fünften Wiederholung einfach. Am interessantesten sind da noch die zwischendurch eingespielten Videointerviews, die Nupen mit zwei in Hamburg lebenden Afrikanern geführt hat und die mit lakonisch-trockenem Galgenhumor über ihre Erlebnisse mit Deutschen berichten.

Schade – denn Jessica Nupen hat ihr Projekt mit viel Idealismus und Zielstrebigkeit verfolgt und musste es weitgehend selbst finanzieren. Inhaltlich ist es zudem mehr als aktuell und wichtig. Vielleicht hätte sie mit etwas mehr Unterstützung auch mehr Zeit und mehr Geduld gehabt, an der Choreografie zu feilen und noch mehr Kreativität zu entwickeln. Das Zeug dazu hat sie, und die Tänzer hätte sie durchaus noch mehr fordern können. Umso unverständlicher, dass die Intendanz der Kampnagel-Fabrik ihr – wie einem Bericht im Hamburger Abendblatt zu entnehmen war – keine Chance gegeben hat. Dort sieht man künstlerisch oft weitaus dürftigere Werke, gerade in den alten Fabrikhallen wäre ihr Stück auch optisch gut aufgehoben gewesen und hätte die K2 mit Sicherheit ebenso gefüllt wie jetzt an drei ausverkauften Abenden das Hamburger Sprechwerk.

Bleibt zu wünschen, dass Jessica Nupen nun vielleicht doch mehr Aufmerksamkeit zuteil wird und sie die Chance bekommt, ihr Können noch besser unter Beweis zu stellen.

Zwei weitere Aufführungen folgen noch am 1. und 2. November 2013, wieder im Hamburger Sprechwerk.
 

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