Westwind Preise

Preisverleihung WESTWIND 2013

Die Gewinner des 29. Westwind-Festivals stehen fest.

Bonn, 28/06/2013

Eine erfolgreiche WESTWIND Festivalwoche mit 18 Produktionen, 29 Vorstellungen an 4 Spielorten in 6 Tagen liegt hinter uns:
In Anwesenheit von Bettina Milz, Tanz- und Theaterreferentin im Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport vergibt die Preisjury Yvonne Birghan-van Kruyssen, Fatma Girretz und Birte Werner das Preisgeld des Landes NRW in Höhe von 10.000 Euro zu gleichen Teilen an:
• TRASHedy (tanzhaus nrw, Düsseldorf) &
• Ente, Tod und Tulpe (junges Schauspielhaus Düsseldorf)

Die Jugendjury vergibt Ihr Preisgeld von 500€ an:
• TRASHedy (tanzhaus nrw)

Die Kinderjury vergibt Ihr Preisgeld von 500€ an:
• Emil und die Detektive (COMEDIA Theater, Köln)

Begründung der Preisjury:
TRASHedy (tanzhaus nrw, Düsseldorf)
Es ist schwer die Menschen dazu zu bringen, sich mit ihrer Umwelt auseinander zu setzten und diese auch zu schützen. Die Produktion schaffte es auf eine selbstironische Weise, das Publikum aktiv zu halten und zum Denken anzuregen. Ausgezeichnet wird ein Stück, eine zweifellos bestechende zeitgenössische Produktion für ein junges Publikum, das einen fröhlich fragenden Blick auf unsere komplexe Welt wirft. Uns begegnen auf der Bühne zwei junge Performer, die ein sehr wichtiges Anliegen haben, die Welt mit ihrer Arbeit zu verändern. TRASHedy ist reich an Ideen und Gedanken, reduziert in den Mitteln und bestechend an Ausdruck und Inhalt. Das Thema mutet einfach an und hat ethische und politische Fragen zum Gegenstand.

Mit den Mitteln des zeitgenössischen Tanzes und projizierten Zeichnungen, erzählt die Produktion am Anfang die Entstehung der Arten, vom Fisch im Meer über die Affen und schlussendlich zum Menschen, dessen am prägnantesten ausgebildetes Merkmal der Konsum ist und mit der Technisierung der Welt auch stetig steigt. Müll als Thema, scheinbar eine einfach belehrende Geschichte, jedoch wenn man tiefer eintaucht, bemerkt man die Komplexität. Glaubt man noch am Beginn, ich nehme doch Papierbecher, um die Umwelt zu schonen und produziere kaum Plastikmüll, so wird man schnell belehrt, dass das noch viel verheerender ist.

Wie entsteht Müll und woraus bestehen eigentlich meine Schuhe, wer stellt eigentlich meine Hose her? In welchem Zusammenhang steht mein Handy zur Umwelt? Und „Wieviel brauchst, wie viel ist genug?“ TRASHedy ist keine Lecture Performance, die mit Diagrammen, Zahlen und Fakten erschlägt. An ihre Stelle treten getanzte Choreografien und Bildanimationen, von den Wäldern, die gerodet werden, den Transport zu den Fabriken, die Auslieferung und die dadurch entstehenden Abgase, bis hin zu den Giftstoffen, die zum Tod vieler Fische führen. Ein scheinbar naives und deshalb umso stärkeres Mittel. Damit schaffen die Performer humorvoll Raum für Fragen und Assoziationen. Humor und Ironie finden auch ihren Platz, wenn die Performance ihre Spielebene und damit ihre Mittel hinterfragt.
Das Anliegen erzählt sich assoziativ und nicht linear. Man wird nicht mit unheilvollen Bildern konfrontiert, sondern die Spieler lassen die Bilder in uns entstehen. Ich bekomme eine Saat, ich entscheide: lasse ich die Saat aufgehen, wachsen und wirken oder nicht. Für uns ist TRASHedy ganz klar eine Aufforderung, die Welt zu verändern. TRASHedy entlässt das Publikum nicht satt, nein, TRASHedy hinterlässt Fragen, mit denen ich mich beschäftigen muss.


Ente, Tod und Tulpe (Junges Schauspielhaus, Düsseldorf)
„Ente, Tod und Tulpe“ vom Jungen Schauspielhaus Düsseldorf ist eine einfache, überraschende, eine einfach überraschende Inszenierung, pur, direkt, unvermittelt und unmittelbar, philosophisch und poetisch, im allerbesten Sinne des Wortes kindlich, nicht kindisch.

Weder überfordert sie ihre kleinen Zuschauer, noch unterfordert sie die großen. Und obwohl alles offen gezeigt, alles klar und vor unser aller Augen aufgedeckt wird, transparent ist, wir sehen, wie die Dinge geschehen, wie die Musik entsteht, oder die Sterne, der Baum, die Kälte, so wirkt der Bühnen-Zauber dennoch. Oder vielleicht gerade deshalb.
In diesem Gesamtkunstwerk sind Licht, Musik, Bewegung, Text, Raum und Kostüm gleichberechtigte Elemente und treiben partnerschaftlich das Geschehen voran. Die eingesetzten Mittel sind genauso einfach wie bestechend: Plastikplane als Eisschicht. Als Baumhaus. Als Eisscholle oder Baumstamm. Weißes Viereck als
runder Teich, als Projektionsfläche, als Planschbecken, als Fluss, als Heimat und Zufluchtsort. Schirmmütze als Schnabel, Sensenmannfrisur für den nachtblauen Tod und rottoupiertes Haar als Tulpenblüte. Ein Overhead-Projektor, den wir alle wohl eher mit Schule als mit Kunst assoziieren, untermalt die Handlung, ist Licht- und Schattenquelle, die Bewegungen des Spielers lassen Sternbilder am Himmelszelt entstehen. Die Figuren sind vielschichtig angelegt, die Ente ist wunderbar tollpatschig und dennoch mutig und musikalisch, der Tod ist selbst mürrisch noch liebenswert und eigentlich so sehr verletzlich wie jeder Mensch, die Tulpe ist das Leben und führt den Tod an der Nase herum, bis es, das Leben, doch letztendlich den kürzeren ziehen muss. Die Spieler sind Spieler, Figur, Erzähler und Funktion, sie wirken und werken im, als und für das Ensemble; schonungslos sich selbst gegenüber und manche Grenze überschreitend, so gehen sie auch mit dem Element Wasser auf der Bühne um: Vom vorsichtigen Eisbrechen zur ausgelassensten Wasserschlacht, der sich niemand entziehen kann, ist alles dabei. Eimerperkussion und Plastikbass untermalen den gerapten Song. Ist es Musik, die allen gefällt? Ja, denn sie nimmt dem Moment die Schwere, macht den Abschied voneinander leicht, während das Leben noch einmal vor unserem Auge vorüberzieht.
Die poetischen Bilderwelten, die sich uns auftun, brechen in kürzester Zeit mit all unseren Erwartungshaltungen; mal sind sie radikal unnaturalistisch, mal poetisch verrückt. Nie versuchen sie, mit der Natur oder mit den Bildern des Bilderbuchs zu konkurrieren. Immer jedoch bieten sie uns Freiraum für eigene Bilder und Interpretationen, während und vor allem auch über den Theaterbesuch hinaus. Die Inszenierung zeigt, wie wunderbar Leben sein kann, wenn man die schönen Momente mit jemandem teilt, während die Zeit wie im Flug vergeht.

„Ente, Tod und Tulpe“ erzählt uns, wie das Leben ist. Und davon, wie Theater sein kann.
(Yvonne Birghan-van Kruyssen/Intendantin Szene Bunte; Fatma Girretz/Theatermacherin; Birte Werner/Dramaturgin, Autorin, Redakteurin)

Begründung der Kinderjury (Originalabschrift):
Wir haben uns für „Emil und die Detektive“ entschieden, weil wir die Idee lustig fanden, es so zu spielen, als seien sie in einem Gefängnis. Vor allem haben sie das sehr glaubhaft rübergebracht wie z. B. der gefesselte Wachmann. Wir fanden das Bühnenbild besonders, weil man mit den paar Brettern, ganz viele Orte bilden konnte. Wir fanden die schauspielerische Leistung sehr überzeugend und ausgeprägt. Das Stück hat eine bomben Stimmung gemacht, z. B. als die Oma ins Publikum gerollt ist hat die komplette 1. und 2. Reihe richtig angefangen zu kreischen. Wir fanden die Kostüme sehr witzig, weil sich eine Figur durch eine Besonderheit komplett verwandelt. Wir gratulieren ganz herzlich zum Kinderjurypreis. Natürlich sind die 500€ Steuer hinterzogen.
(Franka Schwab, Kyra Stanley, Myra Anthony, Luka Patania, Jasper Carniel)


Begründung der Jugendjury (Originalabschrift):
Wir vergeben unseren Jugendjurypreis an die Produktion „TRASHedy“ vom Tanzhaus nrw aus Düsseldorf, die sich mit den Themen „Umwelt“ und „Umweltschutz“ beschäftigt. Diese Thematik ist brandaktuell, betrifft uns alle und ist wie wir finden sehr wichtig. Die abstrakten Themen, ihre Problematik, hat das Tanzhaus nrw unglaublich abwechslungsreich vermittelt. „Ich fands voll cool als er den Becher nach hinten geworfen hat und der dann auf der Leinwand erschienen ist und es dann „Platsch!“ machte“. Ja, die Technik war definitiv beeindruckend. Sie war modern und wurde absolut passend und einfach toll eingesetzt, wie wir, die Jugendjury, das bisher noch nie gesehen hatten. Die Technik, also die Leinwand, aber auch die Musik und das Licht, waren wie ein dritter Schauspieler auf der Bühne. Aber nicht nur die Technik hat uns überzeugt und begeistert, sondern auch der Einsatz der Körper der Schauspieler. Die Tänze, mit den Händen, beispielsweise die dargestellte Evolution, und wie synchron die beiden Darsteller dabei waren – das war wirklich toll. Vor allem aber bemerkenswert ist der Einblick den die Schauspieler uns in den Entstehungsprozess des Stückes und ihre Gedanken dazu durch die Audioaufnahme ermöglicht haben. Da wurde erst deutlich wie unsicher und hilflos die Schauspieler, ja irgendwie die ganze Menschheit, gegenüber dem Thema des Umweltschutzes sind. Weil „Kill yourself“ ist ja nicht wirklich eine Alternative... Entsprechend des eigenen Unwissens wollten die Darsteller uns Zuschauer aber nicht mit erhobenem Zeigefinger, wie das leider allzu häufig der Fall ist, belehren. Herausragend war die fantastisch abwechslungsreiche Umsetzung mit all den liebevollen Details und dass wir Jurymitglieder als wir die Theaterwerkstatt verlassen durch die Bank alle begeistert waren.Herzlichen Glückwunsch zu einer solch herausragenden Inszenierung!
(Yannic Burtscher, Amina Imzouaren, Jessica Miebach, Armin Bauer, Felix Erhard,
Hannah Dahmen, Franziska Halbach, Samuel Schwab)

Das gesamte Team bedankt sich bei allen Beteiligten für eine ganz wunderbare
Festivalwoche!

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