„Siddharta“ von Tarek Assam und Mirko Hecktor. Tanz: Ensemble

„Siddharta“ von Tarek Assam und Mirko Hecktor. Tanz: Ensemble

Indische Flüsse

Neues Tanzstück von Mirko Hecktor und Tarek Assam: Premiere von „Siddhartha“ zum Start der Gießener TanzArt ostwest

In der Gemeinschaftsarbeit von Mirko Hecktor und Tarek Assam fühlt die TCG Hermann Hesses „Siddharta“ mal komisch mal meditativ auf den Zahn.

Gießen, 17/05/2013
Da hängen Jugenderinnerungen dran, an Hermann Hesses „Siddhartha“. Entsprechend neugierig waren die Premierengäste, was Tarek Assam, Ballettdirektor am Stadtheater Gießen, und Gastchoreograf Mirko Hecktor (München) daraus gemacht haben. Nun, sie haben die 1922 erstpublizierte Erzählung atmosphärisch verdichtet, nicht mit rotem Faden nachgesponnen. Die „indische Dichtung“ vom Brahmanensohn Siddharta erzählt vom Suchen der Jugend nach dem Sinn des Lebens, aber auch von der Stagnation in der Mitte des Lebens und der erneuten Selbstbefragung im Alter.

„Es ist doch dieses, was du meinst: dass der Fluss überall zugleich ist, am Ursprung und an der Mündung, am Wasserfall, an der Fähre, an der Stromschnelle, im Meer, im Gebirge, überall zugleich, und dass es für ihn nur Gegenwart gibt, nicht den Schatten der Vergangenheit, nicht den Schatten der Zukunft?“ Hermann Hesse: Siddharta, aus dem Kapitel „Fährmann“

Der Fluss als Bild für das Ewig Fließende und Überall Seiende spielt eine zentrale Rolle im Buch. Also ist das Wasser zentrales Motiv im Bühnenbild, zunächst als beständiges Rinnsal von oben, bis das Fass darunter überläuft und die Bühne knöchelhoch unter Wasser setzt. Ganz erstaunliche choreografische Bilder ergeben sich aus dem bäuchlings Rutschen und mit den Haaren spritzen. Imme Kachel hat auch die Kostüme kreiert, die in ihrer Transparenz ebenfalls an Wasser erinnern. Für die Rückwand hat sie halbtransparente Duschvorhänge gewählt, die von Kalkspuren überzogen sind. Dahinter wandern die Samanas und Buddhas Jünger meditierend auf und ab, am Anfang und am Ende des Stücks.

Zur Atmosphäre tragen Videoeinspielungen bei, auf denen die Choreografen in exotischem Ambiente Weisheiten verkünden. Vor allem die, dass Harmonie kein Gesetz, sondern ein Wunder, also ein höchst seltenes Ereignis sei. Das wird wie ein Mantra auch in Schriftzügen wiederholt, die quer über den Raum projiziert werden. Die Musik ist eine Mischung aus der Eigenproduktion „Body on stone“, das sind: Geräusche, die mit dem Aufprallen der Tänzerkörper auf Wände produziert wurden, und psychedelische Einlagen sowie E-Gitarrensound am Ende.

Den sechs Mitgliedern der Tanzcompagnie Gießen (TCG), die hier dabei sind, gebührt höchster Respekt für ihren engagierten Körpereinsatz: das sind die Tänzer Michael Bronczkowski, Sven Krautwurst, Manuel Wahlen und die Tänzerinnen Yuki Kobayashi, Mamiko Sakurai, Magdalena Stoyanova. Sie sind ebenso präzise im Tanz wie ausdruckstark in der Darstellung. Am Beginn steht die verzweifelte Suche, dargestellt durch die Mimik des Schreiens, dann bricht einer aus und das ist über weite Strecken Sven Krautwurst als Siddharta. Letztlich aber sind sie alle Ewig Suchende. In der Liebesszene überrascht Yuki Kobayashi als Kurtisane Kamala, in der Wir-finden-den-Fluß-des-Lebens-Szene begeistert Magdalena Stoyanova mit ihrem schlangengleichen Tanz rund ums Wasserfass.

In der Romanvorlage ist die Suche nach innerer Freiheit an entscheidender Stelle durch das „Om“ geleitet, also spielt das „Om“ im Tanzstück auch eine wichtige Rolle. Durch perfekte Rhythmisierung beim Sprechen in der Gruppe, vor allem aber durch ironische Brechung. Wenn der Schweizer Manuel Wahlen im hessisch (!) gefärbtem Therapeutengesäusel die Gruppentherapiesitzung befriedet, dann ist das urkomisch.

Der deutsch-amerikanische Tänzer Michael Bronczkowski singt und spricht in seinen beiden Sprachen, versucht Ordnung in das Geschichtenchaos zu bringen. Dabei erfahren die erstaunten Zuschauer, was der James Bond-Film „Octopussy“ mit „Siddharta“ an Gemeinsamkeiten hat. Da steht „Om“ neben „007“. Das Premierenpublikum war begeistert.

Weitere Vorstellungen am 31. Mai und 09. Juni, dann erst wieder in der neuen Saison.
Mit der TCG-Uraufführung auf der TiL-Studiobühne wurde traditionsgemäß das Festival TanzArt ostwest eröffnet.

www.tanzart-ostwest.de, www.tanzcompagnie.de

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern