Jubel für „Leonce und Lena“

Christian Spuck, seit dieser Spielzeit Direktor des Balletts Zürich, gewinnt die Herzen des Publikums

Uraufgeführt wurde Spucks „Leonce und Lena“ schon 2008 beim Aalto-Ballett in Essen. Zwei Jahre später folgte eine Neueinstudierung beim Stuttgarter Ballett, wo William Moore (inzwischen zum Zürcher Lieblingstänzer avanciert) und Katja Wünsche bereits die Titelrollen spielten.

Zürich, 29/04/2013

Gleich zwei Theaterstücke von Georg Büchner, „Leonce und Lena“ sowie „Woyzeck“, kommen dieses Jahr in Zürich als Ballette auf die Bühne: beide in der Choreografie von Christian Spuck, dem Nachfolger von Heinz Spoerli an der Spitze des Balletts Zürich. Die Büchner-Ballung hat ihre Gründe: Der Dichter wurde vor genau 200 Jahren in Hessen geboren und starb als knapp 24-Jähriger in Zürich. Hier liegt er auch begraben.

Als erstes war nun „Leonce und Lena“ (1836) an der Reihe: Die Geschichte von Prinz Leonce, dem gelangweilten Spross des kleinen Königreichs Popo, der die ihm unbekannte Prinzessin Lena aus dem Reich Pipi heiraten soll. Beide haben Horror davon, reißen von zuhause aus. Sie begegnen einander auf der Flucht in eine Wirtshaus, verlieben sich – und schreiten als Automaten verkleidet zur Hochzeit an den Königshof. Außer einem heiteren Verwirrstück ist „Leonce und Lena“ aber auch eine bitterböse Satire auf den vertrottelten Zwergstaat Popo: Ein Ländchen, wie es im damaligen Deutschland durchaus real existierte.

„Leonce und Lena“ lebt vor allem von Büchners so poetisch-verspielter Sprache. Die konnte der Choreograf natürlich nicht übernehmen. Wohl aber hält sich Spuck ziemlich genau an der Aufbau der Komödie. Seine Figuren erinnern an Marionetten, besonders die Frauen mit ihren herzförmig geschminkten Mündchen. Der Tanz, der klassische mit zeitgenössischen Elementen verbindet, ist gespickt mit verrückten artistischen Einsprengseln. Und voller Marotten: Leonce (William Moore) und Lena (Katja Wünsche) tänzeln lange umeinander herum, bis sie einander endlich finden; ihr erster physischer Kontakt findet mit den Fußsohlen statt, die so wunderbar aufeinander passen. Leonces lustiger Kumpan Valerio (Arman Grigoryan) bewegt sich gern rück- statt vorwärts. Die mit ihm flirtende Gouvernante (Sarah-Jane Brodbeck) ist ein schlaksiges Energiebündel. Das Freudenmädchen Rosetta (Viktorina Kapitonova) im roten Kleid wirkt wie eine Erotikpuppe, der Zeremonienmeister (getanzt von der klassischen Primaballerina Yen Han!) wie ein autoritärer Zwerg. Und König Peter (Filipe Portugal) legt ein urkomisches Solo auf die Bühne, das an die Pantomime eines Marcel Marceau erinnert.

Uraufgeführt wurde Spucks „Leonce und Lena“ schon 2008 beim Aalto-Ballett in Essen. Zwei Jahre später folgte eine Neueinstudierung beim Stuttgarter Ballett, wo William Moore (inzwischen zum Zürcher Lieblingstänzer avanciert) und Katja Wünsche bereits die Titelrollen spielten. Vor der Zürcher Premiere hat der Choreograf das Ballett nochmals überarbeitet, zusammen mit der fantastischen Bühnen- und Kostümbildnerin Emma Ryott und den hoch motivierten Tänzerinnen und Tänzern. Spuck hat einige Szenen zugespitzt, die Rollen den Individuen angepasst und wohl auch den Tanz- gegenüber dem Schauspielanteil vergrössert.

Nun passt alles fugenlos zusammen: die Drehbühne mit ihren mobilen Schauplätzen, die Choreografie und erst recht die Musik, gespielt von der Philharmonia Zürich unter Gastdirigent James Tuggle aus Stuttgart. Spuck hat für sein Ballett vor allem Polkas und Walzer der Familie Strauss, aber auch von Alfred Schnittke oder Bernd Alois Zimmermann gewählt, schmissige und dissonante. Dazwischen erklingen gefühlvolle Songs von Eartha Kitt oder Hanch Cochran aus dem Kassettenrecorder, den Leonce mit sich trägt.

Premiere am Zürcher Opernhaus am 27.4.2013
 

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