„Ein Liebestraum“ von Mario Schröder und Silvana Schröder

„Ein Liebestraum“ von Mario Schröder und Silvana Schröder

 

Einsame Menschen und ihre Liebesträume

Das Leipziger Ballett ehrt Richard Wagner

Das Leipziger Ballett ehrt Richard Wagner und Gustav Mahler mit "Ein Liebestraum“ von Silvana und Mario Schröder.

Leipzig, 13/04/2013

Richard Wagner im Exil in Zürich. Otto Wesendonck, ein reicher Kunstmäzen, finanziert den klammen Künstler. Was der großzügige Mann zunächst nicht ahnt: er bezahlt auch den Liebhaber seiner Frau Mathilde. Mathilde dichtet, Wagner vertont ihre Ergüsse. „Fünf Lieder nach Gedichten von Mathilde Wesendonck“, traumhaft schöne Musik und Vorwegnahme der Tristanmelodik. Später, mit „Tristan und Isolde“, wird Wagner die Dreiecksbeziehung Tristan, Isolde und König Marke zum Sehnsuchtsdrama unerfüllter Liebe erheben. Erst der Liebestod vereint die Liebenden. Der Dritte im Bunde geht leer aus, bleibt aber am Leben und verzeiht.

Gustav Mahler verliebte sich mit 24 Jahren in Kassel in eine Sängerin. Die ließ ihn abblitzen, er zog von dannen und komponierte auf Gedichte aus der Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“ seinen Zyklus „Lieder eines fahrenden Gesellen“. Einsame Wanderer, umhüllt von romantischer Klangfülle. Im Musikdrama „Tristan und Isolde“ stirbt die Liebende ihren einsamen Liebestod, den schwerkranken Tristan konnte die heilkundige Isolde nicht mehr retten, sie kommt zu spät.

In Wagners Vorspiel steigt die Sehnsucht unaufhaltsam an, im finalen Liebestod verlischt scheinbar alles ebenso unaufhaltsam. Kein Platz auf Erden für die höchste Lust. Das Leipziger Ballett ehrt Richard Wagner mit einem „Liebestraum“ von Silvana und Mario Schröder, der am Ende traumhaft ist.

Sie wählen mit den Zyklen „Wesendonck-Lieder“ von Wagner, „Lieder eines fahrenden Gesellen“ von Mahler, sowie Vorspiel und Liebestod aus „Tristan und Isolde“ drei Werke der Romantik, die für sich jeweils von großer Wirkung sind und biografische Stationen im Leben der Komponisten reflektieren. Dazu mit „Corrente II“ von Magnus Lindberg ein Stück vom Ende des letzten Jahrhunderts.

Der ästhetische Bogen ist da. Wagners Liebe blieb unerfüllt, Mahlers auch. Beide haben mit ihrer Kunst reagiert. Musikalisch hat der Abend schon drei unterschiedliche Teile, wobei sich zeigt, dass es eine besondere Herausforderung ist zum Gesang zu choreografieren. Zumal die gesangliche Präsenz sehr unterschiedlich ist. Kathrin Göring singt die Wesendonck-Lieder sehr überzeugend, Jonathan Michie dagegen ist mit Mahler etwas überfordert, als smarter junger Typ der Generation Anzug, T-Shirt, Turnschuh, passt er gut ins Konzept.

Silvana Schröder erzählt im ersten Teil keine reale Geschichte. Zunächst ist wichtig, dass sie die Sängerin einbezieht: Kathrin Göring agiert sensibel; es sind nur wenige Gänge und Bewegungen, aber die sind genau gearbeitet. Silvana Schröder hat ein Duett für Fang Yi Liu und Oliver Preiß kreiert. Sie haben ihre Soli, tanzen gemeinsam, im Wechsel kraftvoller Emotion und nachdenklicher Zurückhaltung. Von großer Wirkung ist das Finale mit dem Lied „Träume“, wenn die Musik und der Tanz sich ergänzen und doch bei sich bleiben. Hier ist ja auch die Tristanmusik am stärksten präsent.

Auch bei Mahlers dramatischeren und stärker narrativen Gesängen verzichtet Mario Schröder auf tänzerische Nacherzählung, verwendet aber kräftigere Bilder. Eine Gruppe starker Tänzer, die Gesellen, eine Gruppe ebenso starker Frauen, und eine Gruppe von Tänzerinnen und Tänzern als „Reflexionen“ und die Tänzerin des ersten Teiles als „Gedanke“− vielleicht die Frau, an die der Geselle auf seiner einsamen Wanderung denkt.

Die Männer liegen manchmal am Boden. Am Boden zerstört, sagt man ja, wenn etwas schief gegangen ist. Die Frauen kommen dazu, Beziehungen aber gibt es eigentlich nicht. Es entstehen performative Bilder von Nähe, Trennung und Verlust, aber es bleiben auch Rätsel. So konkret die Musik, vor allem die Texte, so abstrakt der Tanz. Das bringt für den Zuschauer auch eine gewisse Verunsicherung. Aber es ist eine angemessene Art mit den Mitteln des Tanzes zu so starker Musik bildhaft zu reagieren aber dennoch nichts zu erklären.

Der Dirigent Ulf Schirmer präsentiert mit dem Gewandhausorchester in der Tristan-Musik keine Überwältigungsshow. Der Klang ist sensibel, bleibt zerbrechlich. Mario Schröder nimmt diese Musik unerfüllter Sehnsucht auf in die Sprache seiner Bewegung. Sehr eindrücklich ist z.B. die große Kompanie als eine Gruppe wartender Menschen. Man glaubt ja gar nicht, welche Kraft bei Tänzern von der Bewegungslosigkeit ausgehen kann. Dann − und da gibt es fantastische Lichtstimmungen − immer wieder einzelne Tänzerinnen und Tänzer im Licht und fast schon im selben Augenblick im Verlöschen. Dann eine ganze Gruppe, im Licht, im Dunkel, im Licht.

Das sind höchst gelungene Momente vom Werden und Vergehen zu Wagners Musik. Dann der Bruch. Die Musik von Magnus Lindberg, dunkle Klangflächen, wenn man so will − moderne Romantik. Jetzt sind die Tanzmomente konkreter: Beziehungen, Kommen und Gehen. Natürlich bleibt die Sehnsucht das Thema, aber jetzt auch mit spielerischem Überschwang. Dann wieder Wagner pur − Liebestod, mild und leise. Wie er lächelt. Ertrinken, versinken, unbewusst, höchste Lust. Auch der Tanz verlischt. Das Licht wird von den Tänzern genommen.

Drei Teile, insgesamt ein Abend über einsame Menschen und deren Träume dieser Einsamkeit zu entkommen − eben Liebesträume. Romantische Musik, moderne Menschen, das kommt am Ende gut an, das Publikum ist begeistert.
 

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