Der Choreograf als Baumeister

Sidi Larbi Cherkaouis „Puz/zle“ zum DANCE-Festival-Auftakt

München, 27/10/2012

Der Choreograf als Baumeister, die Choreografie eine durchgehend klingend bewegte Architektur – so kennt man den international gefeierten flämisch-marokkanischen Tanzschöpfer Sidi Larbi Cherkaoui. Bei der Münchner Ballettwoche 2011 hatte er sein „Babel“ gezeigt. Sein „Puz/zle“, uraufgeführt im Juli beim renommierten Avignon-Festival, eröffnete jetzt die 13. Münchner Dance Biennale im Carl-Orff-Saal des Gasteig. Besser kann man das – hörbar begeisterte – Publikum nicht animieren, sich weitere Dance-Programme anzuschauen. Das neue Kuratoren-Duo Nina Hümpel und Dieter Buroch kann sich fürs Erste entspannt zurücklehnen.

Cherkaoui baut und baut und baut: Quader auf Quader setzen seine Tänzer für eine steile Treppe, die sie erklimmen und wieder hinabgleiten. Sie stellen Wandteile zu einer Mauer zusammen, die ihnen zur Grenze wird und die sie niederbrechen. Sie errichten einen Tempel, auf dem sie als eingefrorene Statuen posieren. Der Tempel stürzt ein. Und schon schieben sie die Säulen zu einem asymmetrischen Turm zusammen, auf dem sie wie krank flatternde Vögel nisten. Mit den verschieden großen „Lego“-Teilen (Bühne: Filip Peeters/Cherkaoui) entfaltet sich in phänomenaler Bau-Logistik ein Puzzle von rätselhaften, oft auch klar deutbaren Bildern. Ein paar weniger, und der Abend wäre perfekt gewesen. Charkaouis Tanz-Vokabular: diese sich scheinbar gelenklos verbiegenden, verschraubenden, zuckenden Körper, das ist zeitgenössischer Standard.

Aber wie hier das „Bauliche“: das Schieben, (Ver-)Rücken, Auftürmen und Umstürzen, bruchlos eingearbeitet ist in die tänzerische Bewegung, wie hier offensichtlich eine archaische Gesellschaft – die noch mit Steinigung straft – Sisyphos-gleich Verfall und Chaos in neue Ordnung wandelt, ist bemerkenswert. Seine ganz besondere Qualität jedoch gewinnt das Stück durch das fein abgestimmte Miteinander von Tänzern und den ins Spiel hinein agierenden Sängern und Musikern. Der „bewegte“ Raum ist erfüllt von Kazunari Abes Flöte und Trommel, vom chorischen Summen und Singen des korsischen Ensembles A Filetta und der sanft melancholischen Stimme der Libanesin Fadia Tomb El-Hage. Wenn alles soghaft ineinander klingt und die Tänzer Pflastersteine aneinander schlagen, schwingt man zurück in eine Zeit, wo Ritual, wo Klang und Tanz noch Heilung brachten.

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