IndepenDance Days 2001 auf Kampnagel

Hamburg, 01/01/2001

„The afternoon and the others“ – Ingun Bjoernsgaards feinsinnige Tanzsatire auf das klassische Ballett, den Kitsch und die Klischees der romantischen Liebe – setzte einen humorvollen Schlusspunkt zum Finale der Hamburger IndepenDance Days 2001 in der Kampnagelfabrik. Die norwegische Choreografin ließ sich zu ihrem Stück von Stephane Mallarmes „Der Nachmittag eines Faun“ inspirieren, kommt aber ohne Claude Debussys gleichnamiges Orchester-Prelude aus, zu dem auch Waslaw Nijinskys so bahnbrechende wie berühmte Choreografie für „Les Ballets Russes“ Anfang des vorigen Jahrhunderts entstanden war.

Natürlich bezieht sich Bjoernsgaard in einigen Posen auf das damalige Skandalstück von Nijinsky, gerät aber niemals in die Gefahr nur plumper Parodie des Vorbilds. Vielmehr kreiert sie ein eigenständiges Stück, das von der tänzerischen und darstellerischen Qualität des Tänzerquintetts lebt und außerdem durch Originalität und subtile Komik besticht. Vor violetten Vorhängen stehen ein paar Tannenbäumchen, signalisieren Ersatz-Natur, während ein falscher Orienteppich im Vordergrund ein ziemlich unsanftes Ruhelager bietet.

So unecht und zitathaft dieses Ambiente wirkt, so wenig überzeugend erscheinen die Gefühle und der Tanz. Nur zwischen den Gesten und Posen aus dem Ballett, die pointiert verrutschen oder zu einem täppischen Reigen von Tölpeln missraten, verraten ein Blick, eine Geste die wahre Empfindung oder Sehnsucht nach Liebe und Schönheit, schon überschattet von der Gewissheit: Sie können ohnehin nicht von Dauer sein. Nicht nur Ballettkenner kommen dabei auf ihre Kosten.

Der niemals aufdringliche Witz ergibt sich zwanglos aus dem souveränen Spiel mit Dekonstruktion von klassischen Bewegungsmustern, wechselnden Konstellationen und Situationen zwischen dem schmachtenden Frauen-Trio und dem bockslüsternen Männer-Duo. Bjoernsgaards „Faun“-Variationen gehörten wie die tragikomischen Impressionen „Stadt bei Nacht“ des Het Hans Hof Ensembles zu den Höhepunkten der Tanzwochen.

Auch Robyn Orlins Eröffnungsstück zählt zur Reihe der vom Publikum besonders frequentierten Abende, denen eines gemeinsam war: Sie huldigten nicht nur auf abstrakte Weise dem Tanz. Diese mehr konzeptionell orientierten Arbeiten wirken im Rückblick eindeutig schwächer. Sie waren – wie bei der italienischen Gruppe Kinkaleri – noch teilweise unausgegoren, oder auf pure Bewegungssprache reduziert – wie bei „Mazy“, den zwar tänzerisch tadellosen Körperrecherchen des Österreichers Willi Dorner.

 Als eine Entdeckung könnte man den erstmals in Hamburg aufgetretenen australischen Choreografen Phillip Adams bezeichnen, der in „Amplification“ einen ebenso bemerkenswerten wie irritierenden Versuch über Tod und Sexualität riskierte. Die Club-Abend-Reihe fiel dagegen reichlich zahm aus. Maren Stracks „Latex“-Performance zum Finale geriet immerhin visuell attraktiv, während sich Marco Berrettini mit seinem Cowboy-Duo für zwei Frauen offensichtlich vergaloppiert hat. Die Formation freier Hamburger Choreografen und Theatermacher überstrapazierte in der „POOLnightONE“ die Geduld der Besucher mit einem ziemlich witzlosen, nicht enden wollenden Statement zur finanziell desolaten Lage der Theaterschaffenden. Dennoch haben sie recht. Es gibt weder eine ausreichende Subvention von Tanz, noch kontinuierliche Förderung einzelner Gruppen.

Bleibt abzuwarten, wie Res Bossharts Nachfolgerin Gordana Vnuk die hiesigen Künstler in ihre Programm-Planung einzubinden versucht. Die Independance Days – sie zogen diesmal 4 500 Besucher an und erreichten eine durchschnittliche Platzauslastung von etwa 75 Prozent – wird es jedenfalls in dieser Form nicht mehr geben. Vnuk äußerte sich bereits kritisch gegenüber der „uniformen Ästhetik westlicher Choreografen“ und möchte aus dem eingefahrenen „Festival-Circuit“ ausscheren. Hoffentlich hält sie in ihrem Spielplan noch ein „Fenster“ offen für die moderne Tanzkunst.

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