Knick in der Optik

Meg Stuart, Philipp Gehmacher und Vladimir Miller in „the fault lines“ auf der Sommerszene Salzburg

Salzburg, 11/07/2012

Die Anreise ist Teil des Konzepts der Sommerszene, Salzburg zu erkunden und neue Orte zu bespielen. Fast glaubt man, man habe sich in der Landschaft aus Häuserblocks, Tankstellen und Industriegebäuden verlaufen, bis ein Schild den Weg über Asphalt und Kies weist. Abgeschieden und mitten im Industriegebiet liegt die Galerie Thaddaeus Ropac, die Szeneintendant Michael Stolhofer zum Aufführungsort von „the fault lines“ von Meg Stuart, Philipp Gehmacher und dem Videokünstler Vladimir Miller umfunktionieren ließ.

Zu Beginn im Hintergrund hörbar ein Rauschen, das anschwillt wie die Wogen des Meeres, die an sandigen Stränden auslaufen. Doch von Romantik und Entspannung ist man in „the fault lines“ weit entfernt. Was zunächst nach Beziehungserkundung zwischen Mann und Frau, nach einem dynamisch-freudigen Aufeinanderzugehen aussieht, schlägt bei Stuart und Gehmacher sprichwörtlich „schlagartig“ um, nämlich in kräftige Hiebe, boxende Annäherungen und pressende Verschlingungen. Schon nach kurzer Zeit werden rote Druck- und Kratzstellen auf Stuarts Armen sichtbar. Störzonen und Verwerfungslinien − so die Übersetzung von „the fault lines“ − die durch die Kraft der Nähe den Körper zeichnen. Die Begegnung zweier Körper zeigt sich in diesem Fall mal in krassem Schlagabtausch, aggressiven Posen, doch selten mit echter Hingabe. Durch das schwere Schuhwerk (Kostüme Nina Gundlach) wird das Toben der Darsteller auf dem Holzboden der Galerie akustisch verstärkt, was auch den Schlagabtausch zwischen „ihm“ (Philipp Gehmacher in rosafarbenen T-Shirt) und „ihr“ (Meg Stuart in Nadelstreifenhose und hellblauen Hemd) dramatisiert. Inszeniert wirken auch Gehmachers Mimik und sein Reagieren auf sein weibliches Gegenüber. Mal verfällt er in stumpfsinniges Sinnieren, die Enttäuschung über die Schwierigkeit der Annäherung eklatant ins Gesicht geschrieben. Zuckend und zitternd konstruiert er eine Schwäche in den Armen, während Meg Stuart sarkastisch grinsend und mit ein wenig kühler Distanz vom Bühnenrand aus zusieht.

Vladimir Miller betritt die Bühnenfläche, deren rechte Hälfte mit allerlei technischen Geräten verstellt ist. Mit Projektoren und Folien bewaffnet, setzt Miller eine Reihe von Störungslinien und –zonen in Gang. Gleich einem Möchte-Gern-Gott, einem deus ex machina wählt sich der Videokünstler in das Geschehen ein und erklärt das Ausschnitthafte zum sinnstiftenden und stilbildenden Konzept der Performance. Mal taucht er mittels einer goldenen Folie die Szenerie in kitschiges regenbogenfarbiges Licht, mal löst er eine Projektionsplatte und gibt − gleich einer filmischen Auf- /Abblende − Details der Körper- und Beziehungspräsentation preivuzis. Ein anderes mal bekritzelt der Voyeur-Artist mit schwarzen ‘fault lines’ eine kleine Projektionsfläche an der rechten, unteren Bühnenwand. Visuell-technische als auch akustische Effekte − Geräusche der Außenwelt wie Quietschen, Autofahren (Sound Vincent Malstaf) − legen sich über das inzwischen abgeflachte, magnetische Spiel von Stuart und Gehmacher. Beide liegen nun am Boden und legen zärtlich ihre Hände ineinander. Am Ende sitzen beide Tänzer beinah versöhnlich an der Wand angelehnt und lassen synchron und stimmig ihre Arme kreisen.

„The fault lines“ setzt sich auf kreative Weise mit Multiperspektivität sowie mit optischen und emotionalen Störungen auseinander. Leider geht die Verschmelzung von visueller und darstellender Kunst auf Kosten von Darstellung und Spannung. Stellenweise zieht sich „the fault lines“ so zäh hin wie ausgelaugter, rosafarbener Hubbabubba.

 

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