„The tragedy of Macbeth“ in zeitgenössischen Bühnentanz übersetzt

„Macbeth“ als Tanzstück in der Choreografie von Tarek Assam und David Williams

Gießen, 13/02/2012

Shakespeares Dramen haben zeitlose Bedeutung. Obwohl über 400 Jahre alt, erzählen sie von der Verfasstheit des Menschen, die sich bis heute nicht grundlegend geändert hat. Den Gießener Ballettdirektor Tarek Assam interessiert an der Figur Macbeth die Frage, wie es dazu kommen kann, dass ein Berufsoffizier damit beginnt, Freunde zu ermorden. Die Krisen und Grausamkeiten unseres neuen Jahrhunderts sind dank neuer Medien mittlerweile in die Wohnzimmer eingedrungen, also allgegenwärtig. Insofern brauchen bestimmte Handlungen nicht mehr auf der Bühne gezeigt werden, die Bilder entstehen im Kopf, so seine Überzeugung.

Es fließt nicht literweise Blut wie weiland bei Kresnik, es wird auch kein Dolch gezückt. Zwar gibt es überzeugende Kampfszenen, hier besonders zwischen Sven Krautwurst (Duncan) und Christoper Basile (Macbeth), doch werden die Morde symbolisch angezeigt: mit dem Schließen der Augen durch eine dritte Person, markiert durch rote Striche. Das reicht als Geste. Auch ein unheimlich kreischender Krähenschwarm kommt zum Einsatz.

Gemeinsam mit Ko-Choreograf David Williams (Ingolstadt) hat er „The tragedy of Macbeth“ in zeitgenössischen Bühnentanz übersetzt. Dazu kommen als Gäste wieder Fred Pommerehn (Bühnenbild) und Gabriele Kortmann (Kostüme) aus Berlin. Das Vierergespann hatte schon den „Sommernachtstraum“ vor einem Jahr zum Erfolg geführt. Und damit in der Erzählung erst gar keine geläufigen Klischees entstehen, hat Assam fünf Jazzmusiker aus der mittelhessischen Region gebeten, Jazz-Musikstücke zu komponieren und auf der Bühne mit dabei zu sein.

Engagiert und musikalisch flexibel begleiten „lines & rhythm“ das gesamte Bühnengeschehen: Manfred Becker (Akkordeon), Joe Bonica (Schlagzeug), Andreas Jamin (Posaune), Stefan Schneider (Kontrabass, E-Bass) und Helmut Fischer (Keyboard). Sie sind der Götterwelt, dem Jenseitsreich der Toten zugeordnet. Dort wird zu Balkan-Jazzklängen ausgiebig gefeiert. Das musikalische Repertoire reicht vom melodischen Swing über rockig laute und funky groovige Stücke bis zu schrägen Free-Einlagen und wabernden Klangteppichen.

Das gesamte Bühnengeschehen ist in schwarz-weiß-rot angelegt, andere Farbakzente bringt das Licht (Kati Moritz). Pommerehn hat ein Bühnenbild der zwei Welten geschaffen: Ein halbrunder Drehbühnenaufbau mit Treppen und Plattformen, der nach außen gewölbt die Welt der Götter markiert, in der Freifläche innen den Menschen Raum gibt. Zwischen den Welten können anfangs nur die drei quirligen sexy Hexen (Ekaterine Giorgadze, Hsiao-Ting Liao, Mamiko Sakurai) hin und her wandeln. Mit den Morden wird dieser Durchgang immer größer und bleibt schließlich ganz offen, der Bühnenaufbau wirkt filigran und transparent. Die Rot-Akzente setzt Kortmann gezielt und wirkungsvoll. Alltagskleidung wie Kapuzenjacken und Lederhosen wurden aufgepeppt, die Adligen erhalten Gürtelröcke aus rotem Schottenkaro. Die Gruppenzugehörigkeiten werden mit Hüten oder Frisuren kenntlich gemacht. Die Musiker kommen eher clownesk daher.

Bei nur 12 Mitgliedern der Tanzkompanie musste das Figurenpersonal auf die zentralen Personen reduziert werden. Die Gruppen wie Krieger, Tote, Hofstaat werden wechselweise von der TCG getanzt; durchgängig vom Gasttänzer Esteban Barìas-Garido. Sven Krautwurst gibt den stillen Begleiter Banquo, Alfonso Hierro-Delgado den König Duncan. Jeroen van Acker spielt den Königssohn Malcolm und in einer Szene die Rachegöttin Hekate (dem Hexen-Outfit angepasst mit Strapsen). Keith Chin gibt den Königstreuen Macduff und Edina Nagy seine Gattin. Kammerfrauen sind Robina Steyer und die kurzfristig eingesprungene, ehemalige Gießener Tänzerin Morgane de Toeuf. Bleibenden Eindruck hinterlassen Christopher Basile als Macbeth und Magdalena Stoyanova als Lady Macbeth. Beide tanzen mit enormer Bühnenpräsenz und intensiver Darstellung über eine Bandbreite von coolem Gesellschaftsdrama, erotischem Liebesduett bis zu todbringender Verzweiflung. Lang anhaltender und begeisterter Applaus belohnte diese außergewöhnliche Tanzpremiere.

Die nächsten Vorstellungen im Stadttheater Gießen sind am 1. und 8. März, 7. und 27. April, und zur TanzArt ostwest am 28. Mai.
 

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