„Smaragde“: Laurent Guilbaud und Svetlana Gileva

„Smaragde“: Laurent Guilbaud und Svetlana Gileva

Die Technik dient dem Ausdruck

Das Semperoper Ballett eröffnet mit „Juwelen“ die Saison

Dresden, 29/08/2011

Es funkelt, glänzt und glitzert auf der Bühne der Semperoper. Zunächst mit leichter Schwermut in Grün, dann als fast clowneske Parade in Rot und schließlich klassisch, in festlichem Weiß. Kunstvoll geschliffen und kundig poliert präsentiert das Semperoper Ballett seine „Juwelen“ zur Eröffnung der Saison. Die drei Choreografien von George Balanchine, „Smaragde“, „Rubine“ und „Diamanten“, die jeweils in neoklassischer Manier die Besonderheiten des Balletts in Frankreich, Amerika und Russland beschwören, wurden in Dresden nach und nach einstudiert, waren in unterschiedlichen Korrespondenzen schon zu sehen, werden aber jetzt erstmals an einem Abend präsentiert. Damit gehört die Dresdner Kompanie von Aaron S. Watkin zu den wenigen weltweit, die sowohl über die technischen Voraussetzungen als auch über die Ausdruckkraft verfügt, ohne die es nicht möglich wäre, diese Choreografien aufzuführen, die seit ihrer Uraufführung 1967 in New York als erster abstrakter Ballettabend gelten.

Der Dresdner Einstudierung von Elyse Borne und Patricia Neary im originalen Bühnenbild von Peter Harvey, das augenzwinkernd üppiges Dekor teurer Schmuckläden à la Hollywood zitiert, besticht am Premierenabend durch ihre Frische und die Stilsicherheit. So gelingt es – kleinere Irritationen bei Schrittkombinationen oder Sprüngen mögen der Nervosität einer Premiere geschuldet sein –, den jeweiligen Stücken gerecht zu werden, ohne auch nur den Anschein ehrfürchtiger Rekonstruktionen zu erwecken.

Der Abend beginnt mit „Smaragde“, einem Stück in elegischer Grundstimmung. Ruhig gleitet es dahin im Wechsel der beiden Solopaare, besondere Einzelpassagen sind den Tänzerinnen vorbehalten, einem Trio in gelösterer Stimmung und zehn Tänzerinnen. Die Musik von Gabriel Fauré aus seinen Kompositionen zu „Shylock“ und „Pelléas et Mélisande“ gibt die nachdenkliche Stimmung, die in den rätselhaften Schluss führt. Nach einem attraktiven Tableau verlischt diese Choreografie mit in die Ferne gerichteten Gesten der Tänzer zum Aushauchen des Molto Adagio „La mort de Mélisande“. Ausgesprochen stilsicher und natürlich im Ausdruck, gerade bei den nachdenklichen, weit ausschwingenden Passagen: die Solistinnen Natalia Sologub und Svetlana Gileva. Ihre Partner sind István Simon und Laurent Guilbaud.

Dann sehen wir rot. Ein stilistischer Schnitt vom Feinsten. In „Rubine“ mischen sich zum jazzigen Capriccio für Klavier und Orchester von Igor Strawinsky die Raffinesse des technischen Anspruchs mit dem Pfiff der Revue, des Zirkus und des Musicals. Ganz rasche Wechsel von eleganter Linienführung in eckige, zackige Bewegungen, aus der klassischen Sprungvariante in Sprungkombinationen, die die Bühne zur Manege werden lassen. Und das alles wird grandios getanzt. Das Solopaar mit der sprungfidelen Anna Merkulova und dem hinreißend humorvoll agierenden Jiří Bubeníček dürfte konkurrenzlos sein. Höchst erfreulich, neu in der Kompanie, Julia Weiss und das exzellente Herrenquartett, Vitaly Fadeev, Mario Hernandez, Michael Tucker und Jón Vallejo. Einziger Nachteil: das Stück ist zu kurz.

Als Finale eine Hommage Balanchines an seine tänzerische Heimat, die kaiserliche Ballettschule und das Mariinsky-Theater in St. Petersburg. Zu Musik aus Peter I. Tschaikowskys 3. Sinfonie hat er seine „Diamanten“ kreiert. Ein Solopaar, vier Paare und das Corps de ballet mit raffinierten Synchronpassagen erinnern am ehesten an die klassische Eleganz der Schöpfungen eines Marius Petipa. Außerdem lässt sich an dieser Choreografie sehr gut nachvollziehen, wie Balanchine seine Bewegungen auf den Atem der Musik komponiert hat. In tiefer Versunkenheit tanzt Elena Vostrotina zu einer Holzbläserkantilene und schafft Momente höchster Konzentration und Stille im Theater. Hier kann man gut empfinden, was die Stärke der Dresdner Kompanie ausmacht. Die Technik dient dem Ausdruck, und dieser wiederum überzeugt durch unverstellte individuelle Ausstrahlung. Milán Madar, ihr Partner in diesem Grand Pas de deux, der noch einmal den ganzen Zauber jener weißen Bilder des klassischen Balletts beschwört, ist neu im Ensemble und hat den Part für den erkrankten Raphaël Coumes-Marquet übernommen.

Zu allem Glanz auf der Bühne kommt der des Orchesters. Unter der Leitung von Paul Connelly mit dem Solisten Roberto Cominati am Klavier erhält der Abend ein Fundament klanglicher Eleganz und Größe, sodass ganz im Sinne von George Balanchine Musik und Optik einander ergänzen und bestenfalls der Tanz wie eine hinzu komponierte Stimme wirkt. Ein gelungener Start für das Ballett in Dresden, ein Anreiz, mit Spannung den Angeboten der Saison entgegenzusehen.

www.semperoper.de
www.balanchine.org

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern