Verwirrspiel der Liebe

Christian Spucks „Poppea//Poppea“ bei Gauthier Dance im Theaterhaus

oe
Stuttgart, 01/07/2010

Ballette zu Musik von Monteverdi sind selten, obgleich der „Combattimento di Tancredi et Clorinda“ während der fünfziger und sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts verschiedentlich auftauchte und die sogenannte Wuppertaler Monteverdi-Renaissance von Erich Walter und Heinrich Wendel bereits vor Harnoncourt und Ponnelle in Zürich ihren Ausgang nahm. Gelegentlich sind choreografische Inszenierungen namentlich seines „Orfeo“ versucht worden, aber viel ist dabei nicht herausgekommen. Eine der schönsten und gelungensten Produktionen war zweifellos Joachim Schlömers „La Guerra d‘Amore“ zu einer Auswahl von Monteverdi-Madrigalen 1999 in Innsbruck und Basel.

Und nun also „Poppea/Poppea“, von Christian Spuck für und mit Gauthier Dance im Stuttgarter Theaterhaus: Monteverdis monumentale „L‘incoronazione di Poppea“ von 1642, ein Skandalstück über die spätrömische Dekadenz als Tanztheaterstück – das von Monteverdi im Grunde wenig überlässt und seine Musik weitgehend durch eine Tonband-Collage von Martin Donner ersetzt. Was man sich ungefähr so vorzustellen hat wie die Umdeutung von Velazquez‘ „La Meninas“ durch Picasso. Ob Spucks „Poppea“ von ähnlicher Dauerhaftigkeit ist, darf bezweifelt werden. Was ihn daran wohl in erster Linie gereizt hat, dürfte außer der grundsätzlichen Anregung durch Monteverdi die geballte Anhäufung von dramatischen Konflikten, das Konglomerat von Intrigen und amoralisch-erotischen Verwicklungen gewesen sein, die denn auch von ihm weidlich ausgekostet werden und reichlich Rollenfutter liefern.

Monteverdi-Kenner und -Liebhaber werden gleichwohl bedauern, den großen Maestro auf ein Mini-Format zurechtgestutzt zu sehen – vor allem hätte ich mir gewünscht, das große „Pur ti miro“-Duett am Schluss zu einem majestätischen Finale erweitert zu sehen – so wie es Donner etwas früher mit der gewaltigen Passacaglia gelungen ist, dem musikalisch lohnendsten Stück der ganzen Produktion, von Spuck, ausgehend von einem Pas de trois, zu einem lawinenartigen Format für die ganze Neun-Tänzer-Kompanie erweitert. Ansonsten ist mir die Reduzierung des ‚Dramma musicale‘ mit seinem kosmologischen Prolog für die Konkurrenz von Fortuna, Virtù und Amore reichlich schmalspurig ausgefallen. Es beginnt, fast brechtisch, mit der Vorstellung der Personen in Schupo-Manier und kokettiert durchgehend mit einem Paparazzi-Fotografen, der den Figuren und wenigen Requisiten auf die Pelle rückt, und begnügt sich im Übrigen mit der choreografischen Versuchsanordnung erotischer Kombinationsmöglichkeiten in diversen Paarungen, in denen Spuck seine Fantasie spielen lässt, und die in der Tat einen kraftvollen, nicht zu bremsenden Sog entwickeln. Langweilig geht es jedenfalls in keiner dieser pausenlosen achtzig Minuten zu.

Dafür sorgen auch die fulminanten neun Tänzer der Gauthier Dance Kompanie, ihr Chef als perverser römischer Diktator inklusive, die diese Amore/Amore mit einer sexy Elektrizität aufladen, die sie eher als Zeitgenossen von Fellini und Pasolini denn als römische Cittadini der Ovid- und Seneca-Ära ausweist.

 

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