Jodelrap und Elfentanz

Mit dem „Sommernachtstraum“ verabschieden sich Absolventen der Staatlichen Ballettschule Berlin

Berlin, 15/06/2010

Auf einer Baustelle fängt alles an. Die Handwerker proben mit Getöse ihren Auftritt vor dem Athener Herrscherpaar, reden, messen, streiten, hämmern, sägen. Bis die musikalischen Motive für Tagesschau und heute-Journal zur Raison rufen und im Waldnebel Puck erscheint samt seiner Entourage aus flatternden Wesen. Mittendrin Theseus und Hippolyta, Athens Herzogspaar, sowie vier Jugendliche des Adels, deren Liebesverwicklungen Shakespeares „Sommernachtstraum“ seit 1594 zum Dauerbrenner auf den Theatern der Welt machen. Geplant ist eine Dreierhochzeit, falls sich die rechten Paare fügen lassen. Auch im Wald sind die Dinge aus dem Lot: Oberon und Titania rangeln um einen Knaben. Die Idee des Elfenkönigs, mit einer Zauberblume Rache an seiner Gattin zu nehmen, wird durch Pucks Eingreifen zum Malheur. Titania liebt nun einen Esel, und auch bei der Jugend verweben sich die Liebesfäden in falscher Richtung.

Ein Stoff wie erdacht für Studenten, weil er ihre Probleme beim Erwachsenwerden und im Umgang miteinander spiegelt. Die Leitung der Staatlichen Ballettschule Berlin vergab deshalb den Auftrag zu einer abendfüllenden Choreografie nach dieser Komödie an Torsten Händler. Der Kompaniechef in Plauen-Zwickau, bereits mit „Romeo und Julia“ an der Ballettschule überaus erfolgreich, erfand dazu eine zeitgemäße Version für gut 80 Schüler und Studenten fast aller Ausbildungsstufen. Neben dem Schulbetrieb eine choreografische Uraufführung zu stemmen entspricht dem, was Gregor Seyffert als Künstlerischer Leiter anstrebt: seine Tänzer rechtzeitig an Theaterbedingungen zu gewöhnen, an die Zusammenarbeit von Choreograf und Darsteller. Händler gibt der Geschichte zusätzlichen Witz, indem er das Elfenvolk während der Freizeit jodeln lernen lässt. Wirrkopf Puck als Jodellehrer aktiviert selbst den Saal zum Mitsingen und macht jene Szene zum allgemeinen Vergnügen. So setzt die Version zwar auf Tanz besonders für die Solopaare, von der Spitzentechnik bis zu akrobatischen Elementen, fordert den jungen Interpreten aber ebenso schauspielerische Aktion ab.

Wo andere Akademien in ihren Galas zum Jahresabschluss eher pure Technik zeigen, wagen die Berliner ein Handlungsballett, das viele Stile vereint, das Wort einschließt, musikalisch auf einer amüsanten Collage basiert. Felix Mendelssohn Bartholdys Komposition entlang dem Schauspiel wird ergänzt durch Geräusch, Ethno von Sirtaki bis zu bajuwarischem Sound; sogar Wagner tönt von der Walze. Der fröhlich unbefangene Mix bietet den Schülern Gelegenheit, sich freizumachen von inneren Zwängen, ihr Talent als Darsteller anzuzapfen. Dass dabei nicht die Akkuratesse der Ausführung leidet, obliegt neun Repetitor genannten Pädagogen. Sie studieren die einzelnen Klassenstufen übers ganze Jahr ein und sorgen für den Feinschliff. Wenn das Stück dann montiert wird, treffen die Jüngsten wie der kleine Adrian Bormann als umkämpfter Indischer Knabe auf Absolventen, die in den „großen“ Rollen auftreten.

Zwei Jahre läuft aus Gründen des Aufwands eine solche Produktion. Das eröffnet nicht nur jedesmal anderen Studenten den Einstieg, sondern bedeutet für die Lehrer stets eine Neueinstudierung. Auch mit der diesjährigen Gala in der Lindenoper haben sich Absolventen verabschiedet: „Hippolyta“ Laura geht nach Gera, „Demetrius“ Julian nach Schwerin, für „Titania“ Anudari fällt demnächst die Entscheidung, und wohin es „Puck“ Yanquiel als Allround-Talent führt, hütet er als ein Geheimnis wie den Zauber seiner Blume im Stück.

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