Kleines Tanzwunder am Theater Luzern

„Eletem!“ von Oliver Dähler, „White Lies“ von Ken Ossola

Luzern, 23/02/2010

Seit Beginn dieser Spielzeit wirkt am Luzerner Theater ein neues Tanzensemble. Leiterin ist Kathleen McNurney, früher Tänzerin, später Ballettmeisterin bei Heinz Spoerli und Richard Wherlock. Die beiden halbstündigen Uraufführungen „White Lies“ von Ken Ossola und „Eletem!“ von Oliver Dähler verblüffen damit, wie rasch die Gruppe zusammen gewachsen ist. Dabei stammen die je sechs Tänzerinnen und Tänzer aus acht verschiedenen Ländern und haben einander mehrheitlich nicht gekannt.

Ken Ossola ist Westschweizer mit asiatischen Wurzeln. Sein Wirkungskreis als früherer Tänzer und heutiger Choreograf liegt beim „Nederlands Danse Theater“; weltweit studiert er auch Repertoirewerke von Jiří Kylián ein. In der Schweiz ist er wenig bekannt. Doch mit seiner Kreation „White Lies“ (Notlügen, kleine Unwahrheiten) gewinnt Ossola das Luzerner Publikum auf einen Schlag. Und die zwölf Tänzerinnen und Tänzer, die sich seinen Stil wie schlafwandelnd einverleibt haben, ebenfalls. Langsam fliessende Bewegungen mit jähen Ab- und Ausbrüchen, psychologisch verrätselter zeitgenössischer Tanz, Suche nach Harmonie und Balance, immer wieder gestört durch Lügengespinste oder Grimassen: Sie kennzeichnen „White Lies“. Dazu erklingt ab Tonträger die Kammersinfonie für Streichorchester op.110a von Dmitri Schostakowitsch: Jene dramatisch-schwermütige Musik mit der immer wiederkehrenden D-Es-C-H-Tonfolge – den Initialen des Komponisten.

Während Ossola die Musik eher assoziierend nachzeichnet, geht ihr der Berner Oliver Dähler, Ballettmeister und Hauschoreograf beim nagelneuen „Tanz Luzerner Theater“, auf den Grund. In „Eletem!“ (ungarisch für „Du, mein Leben!“) analysiert er Béla Bartóks Streichquartett Nr.4, vom Zürcher „Merel Quartet“ live und höchst professionell gespielt, mit all seinen kompositorischen Eigenheiten wie Spiegelmotiven, Synkopen, Pizzicati, Volkstanz-Elementen. Um sie dann direkt, fast allzu direkt ablesbar in Tanz umzusetzen.

„Eletem!“ wirkt nicht so inspiriert wie „White Lies“, erscheint künstlicher und intellektueller, auch in der Verbindung von zeitgenössischem Tanz und Ballettelementen. Aber das Stück hat Energie und technischen Glanz. Durchhänger gibt es keine. Die Tanzenden nutzen die Chance, komplexe Strukturen und Rhythmen kraftvoll zu gestalten. Immer wieder finden sie zu plastischen Gruppenbildern zusammen, um dann wieder auseinander zu driften.

Das Publikum des Luzerner Theaters spendete bei der Premiere von „Tanz 2“ (so der Sammeltitel für die beiden Uraufführungen) begeisterten Applaus. Den hat zwar auch die bis Ende letzter Spielzeit wirkende Verena Weiss mit ihrem Tanztheater Luzern oft ernten können, doch war die Fangemeinde wesentlich kleiner. Die neue Crew will vermehrt unter die Leute gehen, Schulen und Jugendliche zum Theaterbesuch motivieren. Die Bemühungen scheinen Erfolg zu haben. Es hat sich bereits eine Gruppe TANZfreunde Luzerner Theater gebildet.

www.luzernertheater.ch

 

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