Blinde Mini-Roboter

Die Deutschlandpremiere von Luc Dunberrys „Aliens!“ bei Tanz im August

Berlin, 29/08/2009

Luc Dunberry und Robert Abubo kommen mit seltsam vollgemülltem Supermarkt-Einkaufswagen auf die Bühne. Zwei Wesen aus einem Science-Fiction-Film, gesichtslos mit insektengroßem Kopfhelm, Fellstiefeln, Fellweste über weißem Ganzkörper-Laboranzug, glänzenden Arm- und Beinschützern. Sie kleben aneinander und rekeln sich als Vierfüßler animalisch. Ihr aufgeblasenes Zelt wird mehrfach zur Video-Projektionsfläche: Wasser, Quallen, wabernde Gesichter. Die „Fremden“ tänzeln katzenhaft einander umrundend bis zur Berührung. Sie pellen sich gegenseitig aus ihren weißen Häuten. Das Video beamt raffiniert ihre rollenden Körper (aus dem Zeltinneren) zu im All schwebenden Wesen, grundiert von lallendem Kinderlachen. Bis zum „Game over“. Mega-Autobahnen, repetierte Zahlenreihen und ein Gebläse, das ein Wesen vergeblich aufbäht. Das Zelt speit zerschredderten Abfall aus ihren menschlichen Videomündern. Wie blinde Mini-Roboter kriechen beide auf den Knien, verfehlen einander in den Gesten wie Demenz-Kranke. Eine Umarmung gelingt nicht mehr. Zwei leerlaufende Systeme. Einander wie ein Klotz am Bein. Nur Rudimente körperlicher Zuckungen sind ihnen möglich. Der Eine landet als Abfall im Einkaufswagen, der Andere dreht der Antenne den Strom ab. Wüste ...

Der Kanadier Luc Dunberry (Jg. 1969) ist seit 1996 bekanntes Ensemble-Mitglied von Sasha Waltz und kreiert seit 1997 eigene Arbeiten. „Aliens!“, uraufgeführt im März 2009 in Luxemburg (Produktion von Sasha Waltz & Guests in Koproduktion mit dem Grand Théatre de Luxemburg gefördert im Rahmen des Programm „Choreographen der Zukunft“), erlebte am 28. 8. 2009 seine mäßig akklamierte deutsche Erstaufführung im Radialsystem beim 20. Festival „Tanz im August“. Dunberrys Stück zerfällt in ein wenig geformtes Puzzle kryptischer Einzelteile, die ohne Spannungsbogen und inhaltliche Schärfe aneinandergereiht sind. Anfängliche Bewegungsfantasie läuft sich leer in ermüdendem Wechsel von ungenauem Spiel und zur Beliebigkeit neigenden Videoeinspielungen und Soundtracks. Das inszenatorische Konzept und dessen Umsetzung erscheinen wie eine Arbeitsetüde auf das selbstgewählte Thema der „Reflexion über die Spezies Mensch im Kontext ihrer Einwirkung auf die Umwelt.“ Einige Besucher verließen vorzeitig das Radialsystem. „Woran soll man sich reiben?“, fragte ein Mann meine Sitznachbarin. „Aliens!“ – zu wenig Substanz für ein Tanz-Festival.

www.tanzimaugust.de

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