Traum, Bild und Schlaf feierlich bewacht

„Guardian of the night“ der Alpo Aaltokoski Dance Company bei den Tanzwelten 2009 am Staatstheater Braunschweig

Braunschweig, 16/03/2009

Was geht bloß in unseren Köpfen vor? Es wird darin Unterbewusstes rangiert; von dort nach hier. Was davon halten? Es sichten wollen, es gar zum Thema eines Abends machen? Dies forderte, laut Programm des Festivals Tanzwelten, Alpo Aaltokoski heraus. Gefruchtet hat der Ansatz schon 1992 im „Guardian of the night“ / „Wächter der Nacht“ übertitelten Stück. Der finnische Künstler überarbeitete es jüngst und bringt es nun rein weiblich besetzt vor das Publikum.

Nur schemenhaft unter Fältelungen von Stoff zeichnen sich menschliche Körper anfangs auf der dunklen Bühne ab. Eine Akteurin steht, fünf weitere liegen offenbar. Am Ende des Abends sind die Tänzerinnen bei verglimmenden Scheinwerfern wieder aus der Gegenwart getilgt. Die Stunde dazwischen gemahnt an das Pendel als Werkzeug esoterischen Auskundschaftens: Auf gedanklicher Ebene, indem es dem Publikum überlassen ist, in welchem Moment der Bewegung eine Antwort liegt. Auf choreografischer Ebene, weil Aktionen der Solistinnen und des Ensembles einander folgen, ein Bogen jedoch nicht zu finden ist. Dankbar zu vermerken sind allenfalls einzelne, der Freude am Sehen zugebilligte Konstellationen von Personen und Licht: Letzteres richtet man des öfteren im dicken Bündel senkrecht abwärts. Unmittelbar dahinter, vom Dunkel des übrigen Raumes geschluckt, steht eine Tänzerin. Sie badet, oder wedelt, ihre Hände in der gleißenden Helligkeit. So flackern die Handflächen wie Flammen in ihr auf. Vergleichbare akustische Akzente bleiben aus. Den Theaterraum beträufelt eintöniges Material. Zu dessen Herkunft sind uns Mutmaßungen anheimgestellt: Vernehmen wir anfangs das Geräusch einer Blechdose, auf deren losen Deckel unentwegt jemand mit dem Finger tippt? Später registriert man in diesem Arrangement tatsächlich Saitenklänge, doch sie sind dünn und dissonant, als kämen sie aus dem Bauch eines lädierten Spinetts.

Wie die Klangcollage wirkt auch die Choreografie selbst aneinandergefügt: Bewegungen und Körper schnürt phasenweise Minimalismus als Korsett. Dann wieder kommt Aktion bühnenbreit als Wulst, behauptet Tumult, Rausch oder Entrückung. Doch eher Steuerung von fern klingt an, wenn mit gestreckten Armen und gefalteten Händen zu siebent im Pulk die Tanzfläche ausgezirkelt wird. Das Zeremonielle ist nicht eine Note dieser Choreografie, sondern scheint ihr Wesen zu sein. Obgleich es Ausbrüche gibt: Etwa, als eine kleine dunkelhäutige Tänzerin wirre Kreise durchhastet und sich Schläge auf Brust und Rücken versetzt. Am meisten allerdings befremden wiederholte Posen leeren Starrens mit rund gespannten Lippen und offenem Mund. „Der Schrei“ von Edvard Munch kommt einem in den Sinn. Als Gemälde hält es nur einen Augenblick fest; es ist das Können des Malers, wenn das Werk tatsächlich Erschütterung weiterträgt. Doch der lautlose Schrei als tanztheatrales Element ging glatt an mir vorbei. So gaben mir Alpo Aaltokoskis Wächterinnen auf den Weg nach Hause nur jene Dosis Schatten mit, in der das Unterbewusste weiter unerreichbar gedeihen kann.

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