Sabine Glenz über Mensch und Masse

Spröde Recherche wird zur Bildersymphonie

München, 21/10/2008

Im Teil II ihrer Tanz-Trilogie spürt Sabine Glenz der Auflösung der körpereigenen Grenzen nach, sobald „wir uns der Masse einordnen/unterordnen“. Der Titel „TRANCE“ bezeichnet den Dämmerzustand, in dem das Individuum als solches zurückbleibt und Bestandteil einer einzigen rauschhaften Bewegung wird. Es beginnt auf der Bühne im i-camp mit einer Frau, die zu den Tönen eines leicht erhöhten Pulsschlags oder beginnenden Trance-Rhythmus auf dem schwarz ausgelegten Boden ihre Glieder und den Raum misst, die Beschaffenheit des Bodens und der Richtungen checkt. Nächste Anordnung des Versuchs: Vor der Bühnenrückwand läuft ein Lichtstreifen quer, auf dem ein Mann in betender oder meditierender Position steht. In den elektronischen Grundton ist eine Melodie gewebt. Der Mann sammelt sich und schaut, sein Blick macht den Raum bewusst. Ein zweiter Mann tritt neben ihn, die Wechselwirkung zwischen beiden beginnt. Videoprojektionen weiß gekleideter Gestalten auf die Rückwand bestätigen die anfängliche Verschiedenheit beider und nehmen nach einer Überblendung deren Angleichung vorweg. Ein Blick des zweiten Tänzers ins Publikum unterstreicht, dass diese Choreografie den Charakter einer Recherche hat. In der nächsten Sequenz nimmt dieser Tänzer vorn links einen inneren Anlauf zum Gehen, durchläuft verschiedene Zustände, nimmt Rückwärtiges/Vergangenes auf sich und steigert die Entschiedenheit seines Drängens. Drehungen kommen dazu, er testet die Statik seines Körpers, den Boden. Dann hebt ihn, als er zur Bühnenmitte gelangt ist, der erste Tänzer in andere Richtungen und Positionen. Hinten korrespondieren die projizierten weißen Gestalten mit aufmerksam aufrechtem Sitzen.

Allmählich wird das Geschehen dichter: Die drei Tänzer (Sabine Glenz, Stephan Herwig und Ludger Lamers) finden sich hinten im Lichtkorridor, zum tollen Sound von Robert Merzo, die Rücken zueinander gewendet. Am schnellsten erfasst dieser Sound die Tänzerin, dann ein wenig den ersten Tänzer, der zweite bleibt unbewegt. Das ist – so wirkt es – wissenschaftlicher Tanz über das Verschwinden des Individuums bei kollektiver Erregung. Schließlich beginnt auch der zweite Tänzer zu zucken. Die weißen Gestalten auf der Rückwand mehren sich, ihre Ausrichtung gleicht sich an. Im Trio der Live-Tänzer wendet sich der erste den beiden, die parallel tanzen, zu. Diese Zuwendung geht zuerst in der projizierten Menge der Gestalten verloren, jeder endet im Techno-Trance. Vom Trio steigt der erste Tänzer aus – unbemerkt, einsam! In der nächsten Sequenz sieht man alle benommen am Boden. Einer denkt beim Aufwachen nach.

Hinten geht eine weiße Gestalt ihren Weg. Geradeaus! Die drei Tänzer vorn lassen Posen der Verbohrtheiten folgen, bleiben hinter dem Beispiel der projizierten weißen Gestalten zurück, probieren zwar auch Schritte nach vorn, doch diese gelingen nur rückwärts. Ein unsichtbarer Druck zwingt sie zu Boden, sie zappeln in verschiedene Richtungen, ab und zu macht einer doch ein paar Schritte vorwärts. Hinten sieht man schon viele gemeinsam vorangehen. Das Trio tanzt im Gegensatz zum Unisono disparat, aber immer harmonisch. So zeigt diese Choreografie trotz ihrer nüchternen Recherche einen guten Fluss und immer einen interessanten Bezug zu den projizierten Bildern: Die hinten projizierten weißen Gestalten vermehren sich kontinuierlich, werden zur ununterscheidbaren Masse. Vom Trio der Tänzer aber löst sich einer nach dem anderen und geht ab, vorwärts...

 

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