Brice Leroux lässt Arme tanzen

Bevor das Stück beginnt, sehen sich die Zuschauer in einer Spiegelglasfolie mit sich selbst konfrontiert. Sie warten, bis das Licht ausgeht und es stockfinster wird; sogar das Licht der Notausgänge wird abgeschaltet (für Phobiker nicht geeignet). Ein Geräusch, das wie eine Mischung aus kochendem Wasserkessel und durchbrennender Elektroleitung klingt (Soundgestaltung Joanna Bailie), steigert seine Intensität. Anfangs erkennt man die Schemen von fünf schwarz gekleideten Körpern, später sind noch die Gesichter und dann ausschließlich zehn geweißte Unterarme und zu Fäusten geballte Hände zu sehen. Diese tanzen mit so atemberaubender Präzision, dass man bald vergisst, dass es sich um Arme handelt. Die weißen Gebilde werden zu Zellen, die sich teilen, zu Chromosomen, die in einem scheinbar schwerelosen Raum jongliert werden, zu Buchstaben, zu Wasserstoffbrücken, zu Schneckenfühlern, zu symmetrischen Mustern: Das Kaleidoskop der zehn Arme wechselt zwischen achtzehn verschiedenen Positionen, wandelt sich fortlaufend und ändert immer wieder in vollkommener Synchronie seinen Rhythmus. Die Arme scheinen sich in den perfekten Mustern aufzulösen, hinter denen die Anwesenheit der zugehörigen Personen völlig aus dem Bewusstsein verschwindet.

Leroux will mit seinem Stück „Quantum – Quintet“ die „Gesetzmäßigkeiten der Quantenphysik und der Chaostheorie in eine choreographierte Versuchsanordnung“ bringen. Auch wer nichts von Quantenphysik versteht, wird sich der Faszination dieser fünfundfünfzig Minuten kaum entziehen können und auf alle physikalischen Experimente im Deutschen Museum ohne weiteres verzichten. Jede Sekunde ist perfekt durchdacht, die Konzeption ist konsequent bis zum Ende. Wenn schließlich das Licht angeht, sehen sich die Zuschauer wieder mit ihren eigenen Gesichtern im Spiegel konfrontiert. Das Arkanum der weißen Figuren in ihrer Black Box bleibt unaufgelöst, denn trotz anhaltenden Applauses zeigen sich die Akteure nicht.