Soiree der Palucca Schule Dresden in der Semperoper

Panorama zeitgenössischen Tanzes

Dresden, 13/07/2006

Palucca würde staunen. Nicht nur ihr über Jahrzehnte verfolgter Plan, ihrem Dresdner Institut am Basteiplatz Hochschulstatus zu verschaffen, ist mittlerweile Realität. Auch die Zeit des interimistischen Lehrbetriebs hat nun ein Ende. Seit April verfügt die Palucca Schule Dresden über einen Neubau aus zwei separaten, per Steg verbundenen Glaswürfeln. Auf jeweils zwei Etagen türmen und verteilen sich darin neun Ballettsäle unterschiedlicher Größe für die Belange der einzelnen Ausbildungsstufen. Hauptattraktion ist der größte Saal, der auch in ein Theater mit Sitzgalerie oder mittels Trennwand in zwei kleinere Trainingsräume verwandelt werden kann. Alle Säle haben Parkblick und verdanken ihre Bezeichnung den Farben, die das Architektenbüro aus Hannover im lichten Treppenhaus angebracht hat: grün, türkis, hellblau, violett.

Von der früheren Substanz bleibt der in den 1950ern errichtete langgestreckte Altbau, durch den man ehemals die Schule betrat, erhalten. Nach seiner Sanierung finden ab dem Sommersemester in dem denkmalgeschützten Gebäude die Mensa, ein kleiner, zehnter Ballettsaal und die Mittelschule ihren Platz. Über eine Brücke wechseln die Studenten vom Neubautrakt mit seinen Probensälen und ihren abgewandt angeordneten Internatszimmern für 50 Schüler zum Altbau. Sie unterqueren dabei eine Konstruktion aus orangefarbenen Plastikgestängen: „Treibender Rhythmus“ greift geometrische Formen aus einem filmisch festgehaltenen Sprungtanz von Palucca auf. Auch auf diese Weise bleibt die Meisterin allzeit gegenwärtig. Zwei gerade sanierte Villen für Bibliothek, Archiv, Verwaltung komplettieren die vier Einheiten der neuen Palucca Schule Dresden. Erstmals räumlich vereint können dort die Studiengänge Bühnentanz, Tanzpädagogik für Profis respektive Amateure, Choreografie und – ab 2007 – Tanz-und Bewegungstherapie ausbilden.

Auch die Leitung der Hochschule wechselt. Ab dem Wintersemester übernimmt der Kanadier Jason Beechey den Rektorenstab von Enno Markwart, der nach neun Jahren und drei Legislaturperioden in den Ruhestand geht und unter dessen Ägide der über 10 Millionen Euro teure Neubau erkämpft wurde. Beechey, ausgebildet daheim, in Petersburg und New York, Solist bei namhaften Kompanien in London und Charleroi, möchte die Schule stärker international positionieren und vernetzen. Seine reiche pädagogische Erfahrung wird ihm dabei ebenso helfen wie das im September gegründete, gemeinsam mit Aaron Watkin, dem neuen Ballettchef der Semperoper, und Hellerau-Intendant Udo Zimmermann verantwortete Tanz Studio Dresden. Zuvor jedoch verabschiedeten Lehrer und Studenten das ausklingende Schuljahr mit einer Soiree in der Semperoper.

Dass außer in dem plastischen Solo „Medusa“ von Markwart kein Spitzentanz gezeigt wurde, ist der eine Pol des zweistündigen Abends; die Qualität der zeitgenössischen Beiträge und ihrer Präsentation durch die Studenten bildet den anderen. Brigitta Luisa Merki zauberte zur Eröffnung mit elf Mädchen einen „Hauch von Spanien“ auf die Szene, in Ivan Muchkas „Mazura“, einem ostböhmischen Tanz mit Zweischrittdreher und Ritschratsch, demonstrierten jüngere Paare Posengefühl und Tanzfreude. Eine trauervolle Arie John Dowlands legte Ingo Meichsner seinem Mädchentrio zu Grunde, Henrietta Horns Extrakt aus „Itambé“ zu brummenden Saiten und Trommel arbeitet mit prismatisch veränderten Raummustern. Als Programmhöhepunkte und Ausbildungsschwerpunkte stehen William Forsythes brillante, von vier Mädchen und zwei Jungen ungemein präzis getanzte Formstudie zu Bachs „Wohltemperiertem Klavier“, Jirí Kyliáns gefühlstiefe, fein ziselierte „Evening Songs“ nach Gesängen von Dvorák, Mats Eks deftig zupackender, grotesk verfremdeter Kampf zwischen Aurora und drei Kavalieren sowie, als fröhlicher Kehraus mit fast 50 Studenten aus Grund- und Hauptstudium, Birgit Scherzers köstliches Pubertätsporträt „El Boccherini“. Die über 60 Mitwirkenden des Abends applaudierten am Ende nicht nur dem scheidenden Rektor, der sich über zu zwei Dritteln vermittelte Absolventen freut, sondern auch Anna Fingerhuth und Till Geier als frisch gekürten Palucca-Stipendiaten.

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