„The Dream“ von Frederick Ashton, Tanz: Anna Merkulova, Alejandro Martínez

Von Romantik und kühler Geradlinigkeit

Frederick Ashtons „The Dream“ und David Dawsons „The Four Seasons“ an der Semperoper

Das Dresdner Haus setzt in seinen Ballettabenden gern auf Kontrastprogramme. So auch hier mit gefühliger Romantik und kühler Stringenz.

Dresden, 11/03/2018

Streng genommen wird der Titel des neuen Ballettabends an der Semperoper, „Ein Sommernachtstraum“, dem Tanzabend nicht ganz gerecht. Denn Frederick Ashtons „The Dream“, quasi eine Essenz des Shakespeareschen Stücks, bildet „nur“ die Hälfte des Abends. In „The Dream“ irren die Liebenden wie bekannt durch den nächtlichen Wald. Ein wenig Verwirrung stiftet hier das Programmheft, wenn im Text die Rede von Zettel, der Handwerker-Figur Shakespeares die Rede ist, der von Puck den Kopf eines Esels verpasst bekommt, in der Besetzung aber der von Ashton verwendete Name Bottom auftaucht. Wie dem auch sei, Alejandro Martínez meistert diese Partie trotz Ungetüm auf dem Kopf mit Bravour auf Spitze. Anna Merkulova ist eine mütterlich zugeneigte, sanfte Titania, die Oberons (Denis Veginy) schlechte Laune stoisch erträgt. Sie weiß schon, dass am Ende sowieso alles gut wird.

In brackwassergrünen Kostümen von David Walker, der auch die Bühne verantwortet hat, wehen die Elfen durch den dunklen Tann, dass der schwärmerischen Phantasie nichts zu wünschen übrig bleibt. Spätestens, wenn der nächtliche Wald dank einer ordentlichen Portion Bühnennebel endgültig zum ausweglosen Labyrinth (der Gefühle) wird, hätte Caspar David Friedrich wohl voller Begeisterung in die Hände geklatscht ob dieser überbordenden Träumerei.

Dass David Dawson in seinen Arbeiten genau so einen großen Bogen um Ecken und Kanten macht, ist bekannt. In seiner Uraufführung „The Four Seasons“ mit Max Richters „Vivaldi recomposed“ eckt immerhin die Musik immer mal wieder auf interessante Art im Ohr an. Dawson setzt sein Ensemble in seinen gewohnten „grauen“ Raum, in dem die Tänzer in 13 Teilen die Jahreszeiten und deren Verlauf tanzen und es gleichzeitig nicht tun. Da ist nichts vordergründig. Dawson stellt seine Tänzer nie aus. Auch hier agieren sie durchweg in mehr oder minder diffusem Licht, das direkt von oben kommt und keinen Fokus entstehen lässt. Das Werden und Vergehen ist hier ein einziges Wehen. Dawson ist ganz klar der Mann mit dem Weichzeichner, der sich das Sanfte, Ätherische bereits vor Jahren zu Eigen gemacht hat.

Hier aber kommt noch ein geschickter Griff hinzu. Die Bühne (Eno Henzo) wartet mit überdimensionierten geometrischen Gebilden (Dreieck, Quadrat, Linie) auf, die trotz ihrer Größe völlig unauffällig und im Wortsinn geräuschlos in den Raum eingebracht werden und genau so wieder verschwinden. Damit gibt es dann sozusagen doch Ecken und Kanten. Diese Idee geht auf. So simpel sie erscheint, funktioniert sie in der Klarheit dieser Arbeit ganz wunderbar.

Yumiko Takeshima, als Tänzerin dem Dresdner Publikum ebenso bekannt wie als Kostümbildnerin, hat dem Ensemble schlichte Einteiler verpasst, die neben dem Kopf einzig Hände und Füße unbedeckt lassen und diese dadurch enorm betonen. Damit wird die Geradlinigkeit des gesamten Ansatzes konsequent weitergeführt. Und durch die Organik in den Wechseln zwischen Duetten und Ensembleszenen kann man sich am Ende durchaus fragen, ob die Tänzer zwischendurch eigentlich ihre Kostüme gewechselt haben oder ob die unterschiedlichen Farben allein durch das Licht entstanden sind.

Somit bleibt nur noch offen, warum diese beiden Arbeiten so nebeneinander gestellt worden sind. Die Semperoper fährt seit geraumer Zeit das Konzept, in gemischten Abenden eine Auswahl zu präsentieren, die jeweils mit einer älteren Arbeit beginnt, die mal mehr, mal minder als Klassiker bezeichnet werden kann, um sich dann im Verlauf des Abends immer weiter zu zeitgenössischen Arbeiten zu bewegen. In diesem Fall muss man sich fragen, ob man den beiden Choreografien damit einen Gefallen getan hat. Ob nicht Ashtons Klassiker mit seinem ganz eigenen, britischen Stil der Tanztechnik des Royal Ballett vor dem zeitgenössischeren Dawson an Zugkraft verliert und ob man Dawson etwa keinen Abendfüller zutraute.

 

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