Wenn der Regenbogen schwarz wird

„Black Rainbow“ – eine Uraufführung der Compagnie Samir Akika und Unusual Symptoms am Theater Bremen

Mit „Black Rainbow“ taucht Samir Akika mit drei Ensemblemitgliedern sowie drei Gästen in die Welt des Science Fiction ein. Dabei wird zum einen das Verhältnis von Mensch und Maschine thematisiert, zum anderen geht das Stück der Frage nach, wie eine Gesellschaft der Zukunft aussehen könnte.

Bremen, 16/11/2017

Düster wie der Titel des Tanztheaterabends erscheint auch die Bühne in „Black Rainbow“. Schwarz und Nebel dominieren. Überall stehen fahrbare Spiegel. Selbst an der Decke kann man Teile des Bühnengeschehens beobachten. Drei Musiker, weiß gekleidet und mit schwarzen Sonnenbrillen, stehen am rechten Bühnenrand (Gitarre, Drums, Synthesizer). Neben ihnen sind ein paar kleine Bildschirme übereinander gestellt, auf denen schwarz-weiße Videos mit Abbildungen von Mikroorganismen, Viren, Zellen und ähnlich Pantoffeltierartigem zu sehen sind. Die einzige Tänzerin schaut beinahe bewegungslos auf die Leinwände. Ein paar Tänzer des sechsköpfigen Ensembles „lungern“ auf der Bühne herum. Alle haben knallrote Lippen.

Einer der Tänzer schiebt roboterartig die Spiegelwände, währenddessen sich ein zweiter dazwischen auf dem Boden abmüht und ein dritter mit geschmeidigen Bewegungen über die Verwandlung von Schmetterlingen spricht. „Das Leben eines Schmetterlings beginnt tief unter der Erde“, erklärt er. „Es riecht modrig.“ Diese Beschreibung ist der Auftakt für das, was uns die gut einstündige Choreografie zeigen wird. Es dreht sich um Verwandlung und Transformation in unserer Welt. Wohin geht der Mensch? Wie steht es um seinen Seelenzustand? Und wo landet die Menschheit, wenn sie so weiter macht wie bisher?

Im Look eines Science Fiction Films („Blade Runner“ lässt grüßen!) macht sich Samir Akika in seiner neuen Uraufführung an existentielle gesellschaftliche Fragestellungen. Dabei ist sein Blick auf die Zukunft zunächst traumhaft-wunderlich. An unterschiedlichen Plätzen tanzt jede(r) für sich allein sein einsames Solo: Trauriges Um-sich-Selbst-Kreisen, bizarr-gestörtes Winden oder Zucken, verzweifelte, immer wieder scheiternde Annäherungsversuche vereinzelter Charaktere. Der Einsatz der Spiegel (Ausstattung: Elena Ortega) gibt in dieser selbstbezogenen Welt schöne Effekte. Und man fragt sich, wer hier noch Mensch ist und wer Replikant - wie es in der Science-Fiction-Welt heißt, den Menschen nachgebaute Maschinen.

Die Musik von jayrope, Simon Carmatta und Stefan Kirchhoff gibt dem Bühnengeschehen nicht nur atmosphärische Dichte sondern sie lenkt auch den Spannungsbogen oder fügt sich einfach perfekt in die gesamte Choreografie ein. So werden die anfangs eher harmlos oder verrückt erscheinenden Ticks oder Gestörtheiten der Figuren mal von schnellen Rhythmen bestimmt, dann wieder sphärisch schwebend oder von verzerrten Klängen in eine traumhafte Zeitlupe verwandelt.

Dann wird es immer schwerer, brutaler, düsterer. Im flackernden Scheinwerferlicht und angefeuert von Carmattas Drums, werden die Bewegungen des Ensembles noch dynamischer, woraus sich zunächst eine faszinierend schnelle Gruppenchoreographie formiert. Doch die endet schließlich in einer brutalen Gewaltmaschinerie. Da entpuppt sich keinesfalls - wie anfangs verheißen – ein wunderschöner Schmetterling. In „Black Rainbow“ gibt es nur Untergang.

Die tänzerische Leistung ist nicht homogen; ist bei Akika auch wohl nie so beabsichtigt. Wirklich herausstechend sind das Ensemblemitglied Pilgyun Jeong und die Gasttänzerin Ying Yun Chen. Ihre tänzerischen Ausdrucksmittel sind besonders vielschichtig und ohne aufgesetzte Präsenz. Dazu zeigen beide eine hohe Konzentration und Chen dazu einen auffällig gekonnten mimischen Ausdruck, der an die Welt des Butoh erinnert. Neben ihnen scheint die Bewegungssprache der anderen fast eingeschränkt, doch vielleicht liegt dies auch nur daran, dass sie hier die Replikanten sind...

Wer Lust auf verstörende Bilder, super Musik und apokalyptische Zukunftsvisionen hat, wird in „Black Rainbow“ keine Langeweile verspüren. Den (auch in der Ausstattung) etwas albern anmutenden Schluss, in der die Menschheit wieder auf dem Stand der Steinzeit von vorn anfängt, hätte man vielleicht der Phantasie des Publikums überlassen sollen. Insgesamt aber ein dichter, manchmal verstörender Tanztheaterabend mit toller Livemusik, welche die Atmosphäre komplettiert.

 

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