„Auguri“ von Olivier Dubois

„Auguri“ von Olivier Dubois

Das große Rennen

Das Ballet du Nord mit „Auguri“ von Olivier Dubois bei den Ludwigshafener Festspielen

Mit diesem Beitrag zu den Ludwigshafener Festspielen wird einmal mehr der Begriff des modernen Tanzes sozusagen an den Rändern ausgeweitet.

Ludwigshafen, 10/11/2017

Die Auguren im alten Rom konnten aus dem Flug der Vögel, aus ihrem Schwirren, ihren Stimmen und der Schwarmbildung Voraussagen für die Zukunft ableiten. Der französische Choreograf Olivier Dubois bringt in seiner jüngsten Arbeit „Auguri“ 22 TänzerInnen zumindest an die Grenze des Fliegens: durch im wahrsten Sinn des Wortes atemberaubendes Rennen. Aber die Voraussagen für die Zukunft, die sich aus diesem wuchtigen Stück ergeben, sind eher pessimistisch.

Es fängt ganz langsam an: In tiefer Dunkelheit mit einer herzschlagähnlichen Geräuschkulisse (Fançois Caffenne) schälen sich einzelne Gestalten aus blauen Mini-Containern. Es sind keine typischen Tänzer, die Dubois für seine Produktion engagiert hat, sondern ganz unterschiedliche Darsteller, die eines gemeinsam haben: Sie müssen rennen können. Denn das Stück steigert sich kontinuierlich und gnadenlos vom Dunkel in gleißendes Licht, pulsierendem Bass zur intensiven Klangkulisse, vom Laufen ins Rennen. Für einen langen Zeitraum lässt das akribisch konstruierte Stück keine Berührungen aufkommen – geradezu artistisch werden Beinahe-Zusammenstöße und Stürze vermieden.

Es gibt eine kurze Phase aufkommenden Glücksgefühls: Einzelne Läufer, weiblich wie männlich, beginnen mit einer signifikanten Veränderung des Laufstiles. Statt der Beschleunigung steht ein Auskosten der großen Schwebephase mit federndem Landen jedes Schrittes im Fokus. Aber das Innehalten im Tempo währt nicht lange – zu groß ist die immer wieder eingesetzte, alles überspielende Höchststeigerung der Geschwindigkeit. Kurz blitzen menschliche Versuche zur Schwarmbildung auf, ein Verweben von Körpern miteinander. Alle Individualtiät, ja die Grenzen der Körper scheinen aufgehoben, eine eher beängstigende Vision. Zaghafte Versuche der Paarfindung scheitern am Tempo, das keinen Raum für das Ausloten von Zweisamkeit bietet. Sich anrempeln und gegenseitig zu Fall bringen klappt dagegen ganz einfach – bis die Darsteller in die Dunkelheit zurückkehren, aus der sie gekommen sind. Das große Rennen, so demonstriert der Choreograph eindringlich, führt am Ende zu Nichts.

Mit diesem Beitrag zu den Ludwigshafener Festspielen wird einmal mehr der Begriff des modernen Tanzes sozusagen an den Rändern ausgeweitet. Das Pfalzbau-Publikum war vom hohen Energielevel der TänzerInnen spürbar gefangen; für emotional gefärbte Begeisterung eignet sich „Auguri“ indessen nicht. Dafür ist das Stück zu düster – und die Machart demonstrativ distanziert.

 

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