„Rosas danst Rosas“ von Anne Teresa de Keersmaeker.

„Rosas danst Rosas“ von Anne Teresa de Keersmaeker.

Ein Manifest raffiniert feministischer Selbstbehauptung

Im Wiener Odeon (wieder) nach 33 Jahren: „Rosas danst Rosas“

Keersmaeker erzählt heute, dass dieses doch ausgedehnte Wien-Gastspiel zwar anfangs wenige Zuschauer hatte, das Ensemble aber das Stück durch die vielen Vorstellungen richtig penibel ausarbeiten konnte.

Wien, 19/10/2017

Schon falsch. Im Wiener Odeon ertanzten sich die vier Frauen Anne Teresa de Keersmaeker, Fumiyo Ikeda, Adriana Borriello und Michèle Anne de Mey im Juni 1984 mehr als zwei Wochen lang gar nicht ihren Erfolg. Das war doch nun wirklich im Vorgängertheater des nach wie vor bildgewaltigen Regisseurs und Theaterprinzipals Erwin Piplits, der immer wieder einen Sinn für besondere Gäste hat. Sein Serapionstheater war damals am Wallensteinplatz beheimatet, und dorthin wurde die Autorin geschickt, um das kaum bekannte Quartett in Worte zu bannen.

Keersmaeker erzählt heute, dass dieses doch ausgedehnte Wien-Gastspiel zwar anfangs wenige Zuschauer hatte, das Ensemble aber das Stück durch die vielen Vorstellungen richtig penibel ausarbeiten konnte. Ein Scharlatan, der heute behaupten würde, er erinnere sich an jede Geste und könne mit Fug und Recht sagen, dass er nun – neun Vorstellungen sind von ImpulsTanz angesetzt und ausverkauft – in der Tat dasselbe gesehen hat. Dasselbe – nun schon wieder falsch. Eine sehr junge Generation, eben noch in der Schule PARTS gewesen, laut Keersmaeker die vierte, hat das Original präzise gelernt, und spult es mit ihrem Verständnis von einem Gestern und Heute ab, dass einem – zumindest tanztechnisch - Hören und Sehen vergeht. Erinnerungen steigen auf, aber Jan Assmanns Gedächtnisformen werden hier nicht angesprochen.

Das Werk „Rosas danst Rosas“ prägte sich 1984 mit seiner Länge von mehr als eineinhalb Stunden ein, mit seinem scheinbaren, haarscharf inszenierten Minimalismus in Bewegung (Schwünge, Spiralen, Haare aus dem Gesicht streifen) und Ausdruck (von schlaff bis rabiat). Mit seiner Logik der Positionierung im intim begrenzten Raum und mit seinem abrupten Wechsel von Stille und hämmernd repetitiver Musik von Thierry de Mey, vor allem aber mit diesen mitreißend starken, mit sich und dem Publikum unerbittlichen Mädchen-Frauen in T-Shirts, schwingenden Röcken und festen Schuhen. Bei all der Striktheit der Bewegung taucht in den Gesichtern immer wieder ein eigenartiges Lächeln auf, so als teste man Weiblichkeit auf ihre Wirksamkeit, um sie im nächsten Moment abzuwürgen und wegzustecken zu Gunsten einer Entscheidung für energische, kantige Selbstbestimmung. Jawohl, da konnte sich so manch eine Zuschauerin bestätigt fühlen. Mit nach Hause nehmen konnte man damals immerhin de Meys Langspielplatte.

„Rosas danst Rosas“, verfilmt, plagiiert, zitiert, gehört in Form und Inhalt heute zu den Klassikern der modernen Tanzgeschichte. Anne Teresa de Keersmaeker hat damit nicht nur ihren internationalen Durchbruch erzielt. Mit dieser qualitätvollen Prägung eines neuen Stils, dem in Österreich später vor allem durch die Sommerszene Salzburg und ImpulsTanz zu Recht „gehuldigt“ wurde und wird, setzte die flämische Künstlerin eine außerordentliche Karriere samt Schulgründung in Gang.
 

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