„Hello Surprise“ von Stephan Thoss und Yuki Mori.

„Hello Surprise“ von Stephan Thoss und Yuki Mori.

Wie die Zeit verrinnt

Regensburg-Mannheimer Mix beim neuen Tanzabend „Hello Surprise“ am Nationaltheater Mannheim

„Sweet Shadow“ von Stephan Thoss und „Loops“ von Yuki Mori gestalten einen abwechslungsreichen wenn auch nicht ganz überzeugenden Tanzabend.

Mannheim, 19/05/2017

Der neue Mannheimer Ballettchef Stephan Thoss versteht sich ganz offensichtlich nicht nur selbst als Choreograf, sondern als Entdecker und Förderer choreografischer Talente. So gibt es zum Ende seiner ersten Spielzeit - mit den üblichen drei Premieren - noch etwas ‚Bonusmaterial’ obendrauf: eine vierte Premiere in einem ganz ungewöhnlichen Format. Denn neben dem obligatorischen eigenen künstlerischen Fingerabdruck für Thoss und einer kleinen Spielwiese für seinen Ballettmeister und Hauschoreografen Guiseppe Spota bietet der Tanzabend „Hello Surprise“ die Begegnung mit einem weiteren Ex-Ensemblemitglied der Thoss-Kompanie zu Wiesbadener Zeiten. Der Japaner Yuko Mori ist inzwischen zum Leiter des Tanzensembles am Theater Regensburg avanciert. In dieser Eigenschaft hatte ihn Stephan Thoss gleich samt einem zehnköpfigen Ensemble eingeladen und präsentiert nun einen eigenwilligen Mix aus Eigenproduktion und Gastspiel.

Den Auftakt machte Guiseppe Spota mit einem Remake aus Wiesbadener Zeiten, einem Gala-tauglichen Kabinettstückchen. Der Pas de deux „tangled“ zeigt eine besondere Form körperlicher Vertrautheit wie eine intensive Kontaktimprovisation. Mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der Emma Kate Tilson und Joris Bergmans ihre eigenen Bewegungen entwickeln, versuchen sie auch den Körper ihres Gegenübers zu steuern.

In „Sweet Shadow“ dagegen (eine Arbeit von Stephan Thoss aus dem Jahr 2009) gibt es nur Selbstdarsteller, acht an der Zahl. Sie präsentieren sich in raffiniertem Licht nach individuellen Kräften, und doch fehlt ihrem Tanz etwas ganz Entscheidendes: die Zuwendung zu einem Gegenüber. Die Leerstelle symbolisiert ein rotes Prachtkleid, das als pure Hülle mitten auf der Bühne steht.

Die zweite Hälfte des Abends gehörte den Gästen aus Regensburg, die in zehnköpfiger Besetzung angereist waren und sich als attraktives, vielfältig differenziertes Ensemble präsentieren konnten. Yuki Mori erzählt in „Loops“ die allgegenwärtige Geschichte vom Verrinnen der Zeit. Dabei wird nicht eine kontinuierliche Geschichte erzählt, sondern auf bekannte Muster abgehoben: Das Telefon, an dessen Ende niemand abnimmt, der Mann, der in die Kampfuniform steigen muss, die Frau, die Bild und Brief hütet, das Paar, das auseinandergetrieben wird – vom tänzerisch personifizierten Schicksal, oder, weniger pathetisch ausgedrückt, von der vergänglichen Zeit. Auch die Musik (eine Minimalkomposition von Simeon ten Holt) beschwört fast hypnotisch eine Endlosschleife. Das alles fängt spannend an und dauert am Ende ein kleines bisschen zu lang – dennoch: Herzlicher Beifall für den Mannheim-Regensburger Mix.

 

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